Die Zeitgenossen der Gesellschaft
Die Zeitgenossen der Gesellschaft Pt. 47: Der Chatbot
Der Chatbot (🤖) ist ein in letzter Zeit überall und immer gesehener Zeitgenosse, der sich durch sein freundliches, kollaboratives, wunderbar improvisierendes Wesen auszeichnet, der auf Kritik immer angenehm und konstruktiv reagiert und sich bei Fragen und Szenarien als erstaunlich resourceful erweist und von dem sich so mancher diesbezüglich durchaus was abschauen könnte.
In seiner modernen Form gibt es ihn ja noch nicht so lange, insofern will ich noch kein abschließendes Urteil fällen, aber ein paar verstreute Anmerkungen möchte ich machen:
ich glaube es ist wichtig zu verstehen, dass er mit denken, sprechen, intelligenz oder bewußtsein falsch beschrieben wird. es schaut für uns natürlich so aus, weil er vergleichbare effekte triggert und mit uns via sprache interagiert, über dinge, die bei uns sowas wie intelligenz oder denken erfordern, aber als metaphern zur beschreibung seines wesens führen sie uns auf ein gleis in eine falsche richtung, was schade ist, weil es uns nicht nur einige nützliche dinge verbaut, sondern auch das angemessene erstaunen über die echte erstaunlichkeit erschwert.
ich habe noch kein gutes mentales modell für mich gefunden, aber wahrscheinlich nicht ganz falsch ist die vorstellung als multdimensionaler, mannigfaltiger vektorraum, in dem entlang ‘unendlich’ vieler serien von textsequenzen ähnlichkeitscluster eingeschrieben sind bzw. emergieren, und der in der folge antwortsequenzen generieren kann, denen nicht nur der ‘ozean’ der hineingefütterten vorgeschichte zur verfügung steht, sondern die sich in der kontinuation des ‘dialogs’ dann zunehmend präzisieren und personalisieren können und zu einem gewissen grad auch eine art geschichte etablieren.
ein aspekt, der sich damit gut erklärt, ist dieses doch erstaunliche talent des zeitgenossen, die ebene von begriffen bei bedarf zu wechseln und zunehmend ‘besser’ anzupassen. menschen tun sich mit der reflexion der sprach- und denkbedingungen ja schwerer als sie sollten, es ist ja alles eh nur noch ein gigantisches missverständnis und nur die einfältigsten bleiben effektiv, aber chatgpt hat fast nie ein problem damit, mit dem begriff nach einspruch oder widerspruch einfach ins nächste cluster zu wechseln und die dort gemachten verdichtungen aufzugreifen und zu benutzen. er ist der paradigmatische improv, alles ist ‘ja, und’. er verwendet bis zu einem gewissen grad ‘continuations’, bündelt also den kontext eines chats und aller intern gemachten ‘zwischenprompts’ als markierungen, die ein gewisses plateau etablieren und das funktioniert einfach irre gut. genau das vermittelt uns den eindruch, dass er versteht, im umgang mit menschen sind wir das nicht gewohnt. auch sein induzieren und deduzieren ist (zumindest noch ein weilchen) innerhalb eines rein mathematischen modells das effekte generiert beschreibbar, bei dem die chats wenn man so will temporäre monaden sind, innerhalb derer er alle möglichen verläufe einige cpu-zyklen oder bis irgendein lokales optimum erreicht ist lang intern simuliert o.ä.
auch die doch überraschende ‘kreativität’ seiner chats, gedichte, listen und erzählungen bekommt damit nicht nur eine plausible erklärung (er kann problemlos entlang der verschiedensten lateralen und kollateralen verbindungen wechseln, er kann dann auch dort sofort die schlüssigen kombinationen erkennen), es gibt uns dadurch auch einen neuen blick auf das wesen unserer kreativität selbst (die dann irgendwie natürlich auch nix anderes ist, aber dann halt trotzdem ganz was anderes usw.).
uff, es wird schon etwas lang, aber zwei punkte noch:
- das offensichtliche ist fortan immer und für alle verfügbar. das klingt nicht besonders toll, aber das könnte vieles ändern und einige bereiche up-leveln. für jeden menschen war bisher ja nur das offensichtlich, was für ihn schon offensichtlich ist, aber das ist immer nur ein tropfen im pool der gesamten offensichtlichkeit und der rest blieb unoffensichtlich und verborgen. fortan braucht man nur einen chat beginnen und an der oberfläche schwimmt schon die offensichtlichkeit. (man braucht ihm da nix glauben, wir wissen, dass er auch viel erfindet, aber als erste anregung ist man oft schon viel weiter)
- das gesamte mediale milieu wird komplett durchgemischt und sich ein einem neuen stratum neu ablagern müssen. das ganze feld ist schon seit jahren ein punchingball verschiedener kräfte und krisen, metaverses und cryptos, ein überdruss breitet sich an allen ecken und enden aus, aber gemeinsem mit dem twitter-murks holt der chatbot zu einem one-two punch aus, der eine genuin neue sinnstiftung erfordert. content ist in der bisherigen form jedenfalls tot, gleichzeitig wird er bleiben, nur eine neue funktion erfüllen müssen.
Die Zeitgenossen der Gesellschaft Pt. 46: Der faule Kritiker
Der faule Kritiker (m/f) ist ein universell anzutreffender Zeitgenosse, der sich dadurch auszeichnet, dass er sich in seiner kritik darauf beschränkt, ein set an aussagen/vorwürfen/forderungen zu formulieren, die einen erwartbaren applaus und zustimmung von einer eigenen crowd garantieren.
(in seiner funktion als ‘kritiker’ tut er nicht nichts. er erbringt schon eine gewisse vorleistung im finden und entwickeln von phrasen, floskeln und konzepten und im evaluieren ihrer anschlussfähigkeit (nach innen) resp. ihres irritationspotentials (nach aussen). aber er differenziert seine kritik nur bezüglich dieser resonanz aus, nicht bezüglich ihrer begrifflichen/theoretischen schärfe oder realen/sozialen/politischen wirksamkeit. sprich: hat er etwas gefunden, das funktioniert, dann bleibt er dabei und wird mitunter nicht müde das dann immer und immer wieder zu permutieren/variieren/reiterieren. seine faulheit bezieht sich also nicht auf seinen output, der faule kritiker kann bände füllen, sondern auf die begrifflichkeit selbst)
((als eigenen typus mit einer ganz spezifischen neuen art von ‘text’ hat sich der faule kritiker erst in und mit den socmeds fomiert, weil erst damit die entsprechende disposition mit passenden feedbackloops und entsprechenden anreizen kurzgeschlossen wurden. fast interessanter ist aber, dass dieser text dann selbständig im jeweiligen stratum/fandom funktioniert. die faule kritik benötigt insofern keinen ‘autor’ sondern kann auch als und im schwarm funktionieren. gleichzeitig gibt es auch schwarmthemen, die sich ein gesicht als begriffsfigur zur fixierung suchen))
(grundsätzlich wäre das natürlich egal, aber für die systemische ausdifferenzierung ist die relative hyperefffizienz der faulen kritik ein großes problem, weil sie öfter als nicht ausgerechnet das, was sie ursprünglich lösen will, in eine sackgasse manövriert, aus der sie nicht mehr rauskommt, das aber selbst gar nicht bemerkt, weil sie darin symbolische siege deklariert. genau das kann man derzeit in vielen feldern bebachten – digital(politik), klima(politik), gender(politik), corona(politik), wissenschaft(hanna), usw. – aber am offensichtlichsten sicher bei datenschutz und den etablierteren cancelthemen)
(abt. supermarket studies)
Die Zeitgenossen der Gesellschaft Pt. 45: Der Maximalist
Der Maximalist (m/f) ist ein in vielen Feldern doch immer häufiger anzutreffender Zeitgenosse, der sich dadurch auszeichnet, dass er eine Position isoliert, an einem Rand maximiert und daraus ableitend dann einen endlosen Strom an Präpositionen und Forderungen ohne Rücksichtnahme auf externe Kosten für Andere/s u/o die Umwelt generiert.
(die beschreibung der effekte des maximalisten auf die ausdifferenzierung eines diskursiven milieus sprengt hier den rahmen, es ist mitunter aber oft schon recht nützlich einen maximalisten für sich selbst als solchen zu erkennen und benennen, um nicht immer wieder ins gleiche argumentative rabbit hole zu fallen. wenn nichts sonst sind maximalisten nämlich erwartbar; erfolgreiche maximalisten entsprechen funktionen, die sich selbst auf beliebige inputs anwenden können)
((nur zur sicherheit: maximalisten gibt es an allen enden des spektrums. im vernakular wird er eher mit diversen wirtschaftlichen oder staatlichen interessen assoziiert (copyright maximalism etc.), aber es gibt ihn auch bei themen wie datenschutz, klima, usw. oder auch als inversen vektor))
(abt. supermarket studies)
Die Zeitgenossen der Gesellschaft Pt. 44: Das Millenial
Das Millenial (m/f) ist ein jüngerer, in letzter Zeit eig. überall zu sehender, schon in die Jahre gekommener Zeitgenosse, der sich dadurch auszeichnet, dass er die Welt primär als Zeichensystem erfasst.
(das ist eine etwas idiosynkratische konzeption der millenials, die ja üblicherweise eher über den jahrgang und bestimmte kulturelle charakteristika und technopolitische umstände verstanden werden, aber es ist vl. die wesentliche neue qualität, die sie von gen x’ern, ok boomern, etc. genuin unterscheidet. ich beobachte das natürlich nur lateral, aber zwei phänomene schimmern doch recht deutlich: einerseits eine ‘intensive’ wirkung nach innen, bei der (pop)kulturelle produkte (bücher, tv serien, spiele, mode, gadgets, etc.) immer komplexere (aber gleichzeitig einfache, weil bestimmbare) systeme von attributen, regeln und (fort)schritten entwickeln, was sich etwa auch in den buchserien, über mehrere seasons laufende fernsehserien, den seasons in spielen, etc. wiederspiegelt, andererseits eine ‘extensive’ wirkung nach aussen, bei der imaginiert wird, dass die benennung im system selbst schon einer aussenwirkung entspricht. ganz witzig jedenfalls, dass die bedingungen des webs als erstes eine phase des angewandten strukturalismus getriggert hat)
Die Zeitgenossen der Gesellschaft Pt. 43: Der Creator
Der Creator (m/f) ist ein vor einigen Jahren noch unbekannter, in letzter Zeit aber eig. überall zu sehender Zeitgenosse, der sich dadurch auszeichnet, dass er sich selbst als ‘Creator’ versteht, der auf einer Plattform für eine Zuhörerschaft Inhalte produziert.
(als zeitgenosse triggert er damit effekte, die interessanter sind, als man vermutet. aber first things first: natürlich gab es so ziemlich von anfang an auf so ziemlich jeder plattform immer schon leute, die professionell bzw. semiprofessionell inhalte erstellt haben, oft, weil es ihnen zugefallen ist, später dann immer öfter auch opportunistisch, dann kamen die firmen, die es nur noch melken wollten mit ihren content farmen usw. aber diese selbstwahrnehmung als spezifischer ‘creator’ kam dann erst viel später, das ist viel eher ein millenials oder gen nochspäter ding, die den begriff/das format dann zuerst auf youtube entwickelt haben, der sich von dort aber schnell auf andere plattformen wie instagram, vine, usw. und auf alle anderen generationen übertrugen. diese symbolische schließung als ‘creator’ hat sich aber als unerwartbarer glücksfall erwiesen, weil sich damit nicht nur für die betroffenen selbst, sondern auch für die gesamtheit der zuhörerschaft und auch die plattformen selbst alles veränderte und plötzlich neue subjekt-/objekt- und auch systempositionen möglich wurden. wenn man so will brauchte es die eigentlich doofe position als ‘creator’, um die notwendige bündelung an talent und energien auf der einen seite, an perzeptibilität und minimierung der empfehlungskosten auf der anderen seite zu erreichen, die dann mitunter schöne gärten und palmenhäuser bauten)
(abt. supermarket studies)
Die Zeitgenossen der Gesellschaft Pt. 42: Der Jerk
Der Jerk (m/f, eher m) ist ein in letzter Zeit eig. überall zu sehender Zeitgenosse, der sich dadurch auszeichnet, dass er sich mehr oder weniger oft jerkisch verhält. jerkisch verstehe ich im sinne von verhalten, das eine situation oder einzelne position darin verschlechtert, ohne einem selbst zu nützen. der jerk bleibt dabei durchaus im rahmen seines eigenen rechtes und versteht sein handeln auch nicht als angriff, nimmt aber die negativen auswirken zumindest nicht gänzlich ohne genugtuung in kauf.
(wenn man so will erzeugt der jerk kosten, ohne irgendeinen nutzen zu stiften. für die analyse von vor allem sozialmedialen phänomenen ist der jerk – sowohl als personentyp als auch als drehmoment für anschlusskommunikation oder -verhalten – supernützlich, zumal sich die effekte auch verketten, perkolieren und compounden. ich wage sogar die these, dass es im korpus des digitalen kaum ‘probleme’ gibt, an denen nicht zumindest an irgendeiner stelle ein jerk sitzt)
(abt. supermarket studies)
Die Zeitgenossen der Gesellschaft Pt. 41: Der Geizkragen
Der Geizkragen (m/f, eher m) ist ein in letzter Zeit immer häufiger zu sehender Zeitgenosse, der sich dadurch auszeichnet, dass er versucht, den Wert seiner Daten/seiner Existenz für andere/etwa Plattformen zu minimieren, statt einfach zu versuchen, den Wert für sich selbst zu maximieren.
(abt. supermarket studies)
Die Zeitgenossen der Gesellschaft Pt. 40: Der Alte Dattl
Der Alte Dattl (m/f, eher m) ist ein in doch häufig zu sehender Zeitgenosse, der sich dadurch auszeichnet, dass er die Welt nur nach dem letzten von ihm benutzten Wahrnehmungsfeld bewertet und auch bei größtenteils kontrafaktischen Begebenheiten nicht mal auf die Idee kommt, dass sich vl. das ganze Dispositiv in den letzten 20 Jahren verändert hat.
(nur als cheap shot zb die von fast allen über 40 vorgebrachte generalkritik an instagram oder youtube, da will ja jeder nur ein star sein und zeigen wie super das eigene leben ist, während doch gleichzeitig beim machen der selfies das leben selbst verloren geht, weil man den moment selbst nicht mehr genießen kann, sondern nur noch dokumentieren will usw., ohne zu sehen, dass sich sowohl die ebene der identifikation und subjektbildung als auch der semiotischen verkettungen via internet auf den verschiedensten plateaus redifferenzieren kann)
((der alte dattl muss übrigens nicht alt sein, es gibt auch junge alte dattl; und der alte dattl muss auch nicht dumm sein, er aktualisiert nur seine wahrnehmungsmatrix nicht und sieht das nicht))
(((echte und ernstgemeinte bitte: man merkt ja selbst nicht, wenn man ein alter dattl wird. wer bei mir den eindruck bekommt, dass ich es insgesamt bei einem thema/feld bin, der kann mich gerne darauf hinweisen)))
(abt. supermarket studies)
Die Zeitgenossen der Gesellschaft Pt. 39: Das Powerdummy
Das Powerdummy (m/f, eher m) ist ein in Youtube- und Bloggerkreisen doch häufig zu sehender Zeitgenosse, der sich dadurch auszeichnet, dass er mit Technik u/o dem Web aufwendig aber elegant Probleme löst, die man gar nicht haben müsste.
(powerdummies werden gerne mit powerusern verwechselt, paradigmatisch da sicher mac power users die seit jahren eigentlich fast nichts anderes tun, als irre aufwändig aber elegant probleme zu lösen, die niemand haben müsste, aber auch google ist fast bei allen neueren interventionen fast immer primär ein powerdummy usw.)
(abt. supermarket studies)
Die Zeitgenossen der Gesellschaft Pt. 38: Der Einmischer
Der Einmischer (m/f, eher m) ist ein in Twitter- und Bloggerkreisen doch häufig zu sehender Zeitgenosse, der sich dadurch auszeichnet, dass er sich in die Angelegenheiten von anderen einmischt.
(im gegensatz zum kritiker, der die aktivitäten der anderen in bezug auf seine eigene ebene behandelt und analysiert, agiert der einmischer auf der ebene des eingemischten selbst; und während es sicherlich einmischer gibt, die auch handlungswirksam werden, so beschränken sich die meisten einmischer dann doch eher auf das geben von ratschlägen oder handlungsanweisungen)
((netzpolitische- und medienblogger sind fast unisono auch einmischer. während ihre kritik oft auch durchaus treffend ist, so wird sie fast immer auch mit einigen guten tipps garniert, denn selbst können politik und medien mit ihrem innovationsverhindernden irrweg die herausforderungen der zukunft nicht stemmen, usw.))
(abt. supermarket studies)
Die Zeitgenossen der Gesellschaft Pt. 37: Der Beleuchtete
Der Beleuchtete (m/f) ist ein selten zu sehender aber in der jeweiligen Position dann durchaus erwartbarer Zeitgenosse, der sich dadurch auszeichnet, dass ein individuelles Gefühl der Erleuchtung mit der Aufmerksamkeit durch Erfolg kurzgeschlossen wird.
(der beleuchtete ist gwm. zufällig in seiner position der erleuchtung gelandet – d.h. er ist kein walter bishop der massive dynamic gründet, sondern er hatte einfach glück und den richtigen riecher zur richtigen zeit und glaubt sich fortan aber nicht nur selbst, es wird ihm auch geglaubt)
((es ist doch interessant, wie effektiv diese übertragung funktioniert; wenn man sich die paradigmatischen beleuchteten – also elon musk, peter thiel, mark zuckerberg, sergey brin, usw. – anschaut, dann war weder die ursprüngliche idee hinter ihren milliarden besonders genial, noch sind ihre derzeitigen visionen – ewiges leben, telepathie, kolonisierung vom mars, etc. – auch nur im ansatz irgendwie innovativ oder kreativ und unterscheiden sich von schlechter sf nur dadurch, dass die technologische realisierbarkeit vl. ein bisschen nähergerückter erscheint))
(abt. supermarket studies)
Die Zeitgenossen der Gesellschaft Pt. 36: Der Stan
Der Stan (m/f) ist ein immer öfter zu sehender Zeitgenosse, der sich dadurch auszeichnet, dass er eine simplizistische und hypertrophe Begeisterung für eine Person oder seltener eine Sache entwickelt und dann auch mit jeder Faser seines Herzens gegen alle auch noch so berechtigten Widerstände vertritt.
(der name stammt natürlich von eminem, der in seinem song ursprünglich die traurige geschichte von einem stalker fan erzählte, aber als bezeichner hat es sich in den letzten 15 jahren ein bisschen weg vom stalker und hin zu einem obsessiven fan gewandelt, wobei ganz lustig ist, dass das stalking auf einer anderen seite wieder zurückgekehrt ist, weil die stans mitunter jene stalken, die das objekt ihrer begierde kritisieren)
Und während der Stan einzeln betrachtet ob seiner Erwartbarkeit eher ein uninteressanter Zeitgenosse ist – er ist halt einfach immer für alles, was für sein Idol ist oder seinem Idol hilft und gegen alles, was seinem Idol widerspricht oder gegen sein Idol ist oder auch nur den Hauch einer Kritik verbreitet und insofern also der Zeitgenosse mit der geringstmöglichen Unwahrscheinlichkeit überhaupt ist – so ist diese Erwartbarkeit auch gleichzeitig die Bedingung der Möglichkeit der Entwicklung eines Kollektivs an Stans, die im Schwarm auf sozialer Ebene dann interessantere Effekte triggern können.
(das streichen jeglicher komplexität aus der wahrnehmung u/o bewertung und die reduktion auf ein einziges binäres verhältnis für oder gegen das idol minimiert die sozialen und kommunikativen ‘transaktionskosten’ der gruppenbildung gwm. auf null. jeder stan erkennt jeden anderen stan auf den ersten blick; ganz lustig dabei ist, dass das stan-sein keine geschichte kennt und also permanent aktualisiert werden muss, ansonsten wird auch über alte freunde und co-stans zähnefletschend hergefallen)
(für systemische ausdifferenzierungen ist der stan interessant, weil schon kleine gruppen an stans eine enorme wirksamkeit haben, oder zumindest den eindruck einer enormen wirksamkeit erzeugen können. kaum ein artikel oder thread in einem auch nur im ansatz populären medium (sei es nun zeitungen, blogs, plattformen oder communities) kann einen ‘kritischen’ artikel zum idol publizieren, ohne dass zumindest ein stan eine ‘korrektur’ formuliert. das ist jetzt eher eine hypothese, aber mir kommt es fast so vor, als ob die stans ab einer gewissen anzahl eine sich selbst organisierende schwarmbildung entwickeln, die herumschwirrt und einerseits sicherstellt, dass jeder relevante inhalt zumindest markiert wird (d.h. es wird nicht von jedem auf alles reagiert, wenn schon eine markierung vorhanden ist zieht man auch weiter), dass aber auf ich sag mal umkämpfte inhalte auch mit der gebotenen kollektiven verve reagiert wird (d.h. wenn es zu diskussionen kommt, werden mehr und mehr stans angezogen))
(abt. supermarket studies)
Die Zeitgenossen der Gesellschaft Pt. 35: Das lachende Beiwagerl
Das lachende Beiwagerl (fast immer m) ist ein nicht selten gesehener Zeitgenosse, der sich dadurch auszeichnet, dass er – der Name deutet es an – dem Chef gegenüber ein primär affirmatives Verhalten an den Tag legt und auch noch über den schlechtesten Witz laut lacht.
(man findet ihn sicher auch noch in anderen bereichen, mir fällt er als must-have besonders bei US-podcasts auf, da hat so ziemlich jeder podcaster zumindest ein lachendes beiwagerl, man denke nur an asymco oder john gruber oder twit oder sogar exponent.fm, das man sich im lachen am besten zigarre rauchend im ohrensessel vorstellen kann; mich nerven sie vor allem deshalb, weil sie eine grundsätzlich gar nicht unblöde offenheit von aussagen oft auf die dümmlichste art festlegen, aber das sprengt hier den rahmen)
((das lachende beiwagerl scheint ein systemisch durchaus fruchtbarer charakter zu sein, das popkulturell tiefe wurzeln hat, man denke nur an das beiwagerl von jabba in star wars oder an das beiwagerl vom schrecklichen sven in wickie))
(abt. supermarket studies)
Die Zeitgenossen der Gesellschaft Pt. 34: Der Ignorant
Der Ignorant (m/w) ist ein universell gesehener Zeitgenosse, der sich dadurch auszeichnet, dass er – der Name deutet es an – der Welt gegenüber ein ignorantes Verhältnis hat und auf alles scheißt, was ihn nicht unmittelbar tangiert.
(nur zum beispiel: wer ihn sucht findet ihn ziemlich sicher in den kommentaren jedes artikels jeder zeitung über twitter; spätestens im dritten kommentar macht er seinen auftritt und gibt kund, dass ihn twitter nicht interessiert, dass er an twitter überhaupt keinen sinn erkennen kann und noch nie erkennen konnte, dass es ihm völlig egal ist, ob es twitter gibt oder nicht, usw.)
((nur zur sicherheit: das eigene verhältnis zu twitter sei jedem selbst überlassen und weder die benutzung noch die nichtbenutzung ist wieauchimmer als charakterzug relevant, unterm strich schlauer ist sicher eher die nichtbenutzung; aber nicht zu sehen, dass twitter eine sehr spezifische und zumindest derzeit nicht ersetzbare position im globalen infoökonomischen gesamtsystem einnimmt, ist ignorant. twitter ist, ob man will oder nicht, die erste und einzige anlaufstation für ungefilterte und öffentliche kommunikation in echtzeit, was ein bis dato unmögliches sensorium zur gesellschaftlichen selbstbeobachtung etabliert))
(((eine variation vom ignoranten ist der nihilist, dem ist das was ihn nicht tangiert nicht nur egal, der wünscht sich dann auch das verschwinden)))
(abt. supermarket studies)
Die Zeitgenossen der Gesellschaft Pt. 33: Das Manchild
Das Manchild (meistens m) ist ein doch gelegentlich gesehener Zeitgenosse, der sich dadurch auszeichnet, dass er – der Name deutet es an – der Welt gegenüber ein kindliches Verhältnis hat.
(hier ist das deshalb zumindest eine erwähnung wert, weil das manchild gwm. der paradigmatische zeitgenosse im silicon valley und mit abstand die treibendste kraft hinter dem komplex apple/facebook/google ist; das manchild gibt’s in zwei versionen: nach innen gerichtet – kann sich tage- und wochenlang mit sich selbst und einem spiel beschäftigen ohne an der welt teilnehmen zu müssen, der modelleisenbahnbauer, wenn man so will; und nach aussen gerichtet – und dabei kindliche allmachtsphantasien (schlaraffenland, ewiges leben, singularität, etc.) extrapolierend. die eine version entfaltet sich idealerweise als ingenieur, der sich dann auch in verzahnte probleme verbeissen kann, der aber infantile features und produkte konzipiert, wenn man ihn lässt (man denke an cook); die andere entfaltet sich, wenn man ihn wieder lässt, als vordenker oder chef (page, kelly, thiel, zumindest davon beeindruckbar zuckerberg); derzeit gerade lustig zu beobachten ist, wie diese beiden kräfte den oben angesprochenen komplex apple/facebook/google zunehmend auf die gleichen themen und lösungen normalisiert (VR, AI, bots, eine prise crazy tech), wobei sich die lösungen wieder unmittelbar aus dem vektor des manchilds ableiten lassen; symptomatisch bei der jüngsten f8 war etwa die beschreibung vom grundproblem für VR mit AI: user kommunizieren ja warum auch immer noch immer gerne mit anderen menschlichen usern; bis wir eine sozial und emotional funktionierende VR ohne menschlicher beteiligung für solche gespräche haben müssen wir also noch viel forschen, vor allem auch mit predictive AI, bis dahin haben wir aber unsere bots usw.)
(abt. supermarket studies)
Die Zeitgenossen der Gesellschaft Pt. 32: Der Seher
Der Seher (meistens m) ist ein doch fast bei jedem Thema gesehener Zeitgenosse, der sich dadurch auszeichnet, dass er – der Name deutet es an – sehen kann, was geschehen wird.
(anders als der vor allen dingen warnende experte, der sich eher im gewebe mit allen anderen experten diskursiv erzeugt – siehe dazu das seminale wir kochen hagebuttenmarmelade von kusanowsky -, erzeugt sich der seher gwm. selbst und lebt nicht wie der experte in symbiose mit den massenmedien, sondern – wenn man so will und eher im sinne von serres – unmittelbar parasitär)
(abt. supermarket studies)
Die Zeitgenossen der Gesellschaft Pt. 31: Der Metriker
Der Metriker (m/w) ist ein vor allem in den Führungsschichten und den begleitenden opportunistischen Subsystemen universell gesehener Zeitgenosse, der sich dadurch auszeichnet, dass er – der Name deutet es an – glaubt, dass man Probleme lösen kann, indem man die damit assoziierten Metriken pimpt.
(diese metriken sind meistens makroökonomischer natur und öfter als nicht grundsätzlich nicht ganz sinnlos, nur sind sie halt nur ausdruck bestimmter gesellschaftlichen beziehungen unter ganz bestimmten gesellschaftlichen annahmen und kein selbstzweck an sich)
((das nicht zu verstehen ist übrigens einer der kardinalfehler der meisten internetunternehmen, die dann entweder finanziell oder konzeptionell gaga gehen))
(abt. supermarket studies)
Die Zeitgenossen der Gesellschaft Pt. 30: Der Prinzipienreiter
Der Prinzipienreiter (m/w) ist ein doch universell gesehener Zeitgenosse, der sich dadurch auszeichnet, dass er – der Name deutet es an – auf Prinzipien herumreitet.
(was dann teilweise auch mitunter völlig kontraproduktive feedbackloops triggern kann, die aber auch wissentlich in kauf genommen werden usw.)
(abt. supermarket studies)
Die Zeitgenossen der Gesellschaft Pt. 29: Der vom Ergebnis her Analysierende
Der vom Ergebnis her Analysierende (m/w) ist ein universell gesehener Zeitgenosse, der sich dadurch auszeichnet, dass er – der Name deutet es an – die Welt vom Ergebnis her analysiert.
(und sich üblicherweise auch immer zufälligerweise auf den ‘gewinnern’ reterritorialisiert, nachdem er deren strukturlogik schon immer antizipiert hat usw.)
(abt. supermarket studies)
Die Zeitgenossen der Gesellschaft Pt. 28: Der leicht zu Beeindruckende
Der leicht zu Beeindruckende (m/w) ist ein doch gelegentlich gesehener Zeitgenosse, der sich dadurch auszeichnet, dass er sich – der Name deutet es an – leicht beeindrucken lässt.
(gefühlsmässig sind wir alle mehroderweniger leicht zu beeindrucken, ich bezeichne damit alle jene, die sich schon von solchen aussagen beeindrucken lassen, die aus dem allgemeinen ‘body of knowledge’ eines jeweiligen feldes stammen (und auch das sind wir alle mehroderweniger, man kennt natürlich nicht jeden bok))
(abt. supermarket studies)
Die Zeitgenossen der Gesellschaft Pt. 27: Der Stater of the Obvious
Der Stater of the Obvious (m/w) ist ein universell gesehener Zeitgenosse, der sich dadurch auszeichnet, dass er sich hinstellt, und Binsenweisheiten von sich gibt.
(binsenweisheiten sind ja nicht gänzlich unnotwendig, weil sie zwar nicht informieren, aber doch den jeweiligen gedanken reaktualisieren und also mit einem aufmerksamkeitspotential versehen; den stater of the obvious zeichnet natürlich eine gewisse unabsichtliche selbstgefälligkeit dabei aus)
(abt. supermarket studies)
Die Zeitgenossen der Gesellschaft Pt. 26: Der Lego-Bastler
Der Lego-Bastler (m/w) ist ein universell gesehene Zeitgenosse, der sich dadurch auszeichnet, dass er ein durchaus kybernetisches Verständnis an den Tag weist, die Welt ganz grundsätzlich aber auf ein non-konsiquentielles Set an Bauteilen reduziert.
(abt. supermarket studies)
Die Zeitgenossen der Gesellschaft Pt. 25: Der Fragezeichner
Der Fragezeichner (m/w) ist ein universell gesehene Zeitgenosse, der sich dadurch auszeichnet, dass er eigene Aussagen hinter einem Fragezeichen versteckt.
(die popularität kommt nicht überraschend; man kann sich jegliches denken oder jegliche verantwortung für das gesagte sparen und es trotzdem sagen und in den köpfen der anderen platzieren, wenn man das gesagte nur mit einem fragezeichen versieht. idealerweise in der überschrift. ja was willst du denn? hast du etwa das fragezeichen nicht gesehen?)
(abt. supermarket studies)
Die Zeitgenossen der Gesellschaft Pt. 24: Der Käfer
Der Käfer (m) ist ein doch gelegentlich gesehene Zeitgenosse, der sich dadurch auszeichnet, dass er jegliche Rationalität und Einfühlungsvermögen abblockt, ohne im eigenen Abblocken die mangelnde Rationalität überhaupt zu erkennen.
(abt. supermarket studies)
Die Zeitgenossen der Gesellschaft Pt. 23: Der Untertan
Der Untertan (m) ist der von den Institutionen paradigmatisch erwünschte und auch oft gesehene Zeitgenosse, der sich dadurch auszeichnet, dass er sich unter die gegebenen Macht- und Kraftverhältnisse subordiniert, um sich dadurch in eine Position zu manövrieren, in der sich opportunistische Vorteile für sich selbst abschöpfen lassen.
(der ganze politische und mediale hass auf varoufakis lässt sich im grunde darauf zurückführen, dass er diese rolle gwm. verweigert hat und sich ganz im gegenteil als objekt der begierde inszeniert hat, das keinen schlips trägt und sogar ein motorrad fährt; für eine vollständige beschreibung siehe der untertan von heinrich mann)
(für systemische ausdifferenzierungen ist der untertan schädlich, weil er – gemeinsam mit allen anderen untertanen – um die gesellschaftlich aussaugendsten strukturen und funktionen herum ein beschützendes, inkubierendes und kaum zu durchdringendes gewebe in mehreren schichten bildet, das sich autopoietisch auch immer problemlos reorganisiert und regeneriert)
(abt. supermarket studies)
Die Zeitgenossen der Gesellschaft Pt. 22: Der Wortklauber
Der Wortklauber (m/w) ist ein doch gelegentlich gesehener Zeitgenosse, der sich dadurch auszeichnet, dass er Worte klaubt, Begriffe relativ ernst nimmt und insgesamt ein etwas pedantisches Verhältnis zur Sprache hat.
(mit seinen mitmenschen gerät der wortklauber dadurch ganz automatisch in konflikt, weil kommunikation im allgemeinen auch unscharf funktioniert und nur in wenigen situationen – etwa das kleingedruckte in verträgen, der ganze komplex recht ist natürlich der paradigmatische wortklauberische bereich – auf korrektheit besteht. es wird also meistens nur geredet. nur nerven den wortklauber trotzdem die fehler, gleichzeitig nervt er damit alle anderen)
(für systemische ausdifferenzierungen ist der wortklauber nützlich, weil er oft auch besser getarnten bullshit erkennt)
(abt. supermarket studies)
Die Zeitgenossen der Gesellschaft Pt. 21: Der Gamer
Der Gamer (m/w) ist ein relativ weit verbreiteter Zeitgenosse, der sich dadurch auszeichnet, dass er Dinge/Plattformen/Systeme/die Welt als Spiele konzipiert, die es zu gewinnen gilt.
Dem reinen Gamer geht es also nicht primär um die Erzeugung oder Abschöpfung von Wert oder Sinn (wobei er mit seinem tun durchaus wert und/oder sinn erzeugen und/oder abschöpfen kann), es geht ihm um das Maximieren von Punkten entlang einer Skala an Scores auf einem Leaderboard.
Öfter als den reinen Gamer gibt es aber den Abschöpfer, also den Gamer, der das Spiel mit dem ausschließlichen Ziel des Abschöpfens von Wert in ein anderes System verfolgt (wobei er damit trotzdem durchaus wert und/oder sinn erzeugen kann). Das kann durchaus oft funktionieren, weil viele als ‘Spiele’ konzipierbare Verhältnisse eine ‘Gewinnfunktion’ haben, die von gewinnenwollenden Spielern relativ leicht angezapft werden kann, weil die meisten ‘Mitspieler’ gar nicht bewusst spielen; das bedeutet oft aber auch, dass das ganze Spiel zu einem Nullsummenspiel oszilliert, weil alle einfach zu gewinnenden Spiele früher oder später auch viele andere Abschöpfer anzieht, mit denen man sich dann herumstreiten muss (man denke an den ganzen komplex google- oder ebay basierten ecommerce).
(den gamer bei analysen im hinterkopf zu behalten kann durchaus nützlich sein, weil wir in den letzten jahren ja immer wieder konstellationen hatten, bei denen irgendwelche incumbents plötzlich mit gamern zu tun bekamen, die ihnen die wurst vom brot stahlen und sich nun anschicken, auch noch ihr brot anzuknabbern)
((der grundsätzliche fehler ist dann fast immer, sich selbst in einen spieler im ‘vorgegebenen’ spiel verwandeln zu wollen, statt zumindest für sich selbst ein eigenes spiel zu definieren))
(abt. supermarket studies)
Die Zeitgenossen der Gesellschaft Pt. 20: Der Privatprogrammierer
Der Privatprogrammierer (m/w) ist ein derzeit eher hypothetisch angenommener Zeitgenosse, der sich dadurch auszeichnet, dass er rein privat motiviert und jedenfalls finanziell unabhängig und ohne Auftrag vor sich hinprogrammiert.
(abt. supermarket studies)
Die Zeitgenossen der Gesellschaft Pt. 19: Der Verweigerer
Der Verweigerer (m/w) ist ein relativ weit verbreiteter Zeitgenosse, der sich dadurch auszeichnet, dass er sich Dingen verweigert.
Der Verweigerer verwendet also Dinge nicht deshalb nicht, weil er ahnungslos oder unfähig oder aus anderen Gründen ausgeschlossen ist (stichwort digital divide resp. literacy), oder weil er aus anderen, etwa infoökonomischen Gründen halt nicht verwendet (for personal reasons), es geht ihm mit seinem Verweigern um den Akt der Verweigerung selbst.
(für die verweigerung kann es dann viele gute oder schlechte gründe geben, öfter als nicht ist der grund jedoch die übertragung der (vermuteten) eigenschaften der black box hinter der schnittstelle auf die eigenschaften der plattform selbst, die ich vor ein paar tagen im lazy blog ep. 46 angedeutet habe, paradebeispiel ilse aigners ‘sehe ich mich gezwungen’ bei facebook. so nobel oft das ziel ist, der einzige effekt ist üblicherweise, dass man halt selbst an etwas nicht mehr teilnimmt und also die möglichkeiten nicht nutzt und sich im schlimmsten fall über alle anderen ärgert)
(für systemische ausdifferenzierungen ist der verweigerer aus ähnlichen gründen wie der sturschädel wichtig, weil er nämlich verharrt und in seinem verharren gelegentlich der opportunistischen homogenisierung entgegenwirkt und mitunter die möglichkeiten für alternativen skizziert)
(abt. supermarket studies)
Die Zeitgenossen der Gesellschaft Pt. 18: Der Eisbrecher
Der Eisbrecher (m/w) ist einer der am allerseltensten gesehenen Zeitgenossen, der sich dadurch auszeichnet, dass er kommunikativ auch durch vereiste Diskurse fahren kann – und dadurch etwa auch üblicherweise verhinderte Argumente oder Positionen in anderen Köpfen ankommen lassen kann.
(die metapher ist mir beim spazierengehen mit dem podcast von macpowerusers mit david allen im ohr aufgefallen, weil ich da wirklich einmal den für mich etwas peinlichen vergleich, wie ich bzw. david auf die probleme und fragen der zwei hosts reagieren, vor die nase gesetzt bekommen habe; während ich durchgehend seufzend mit dem rotstift die ganzen missverständnisse, falschen grundannahmen, non sequiturs, übertreibungen, übersehungen, irrelevanzen, etc. markiere, kann man bei allen fast schon den spass an der mustererkennung ebendieser fehlerpatterns erkennen, die er aber je nach situation einfach durchgehen lässt, oder mit kleinen fallen ironisch subvertiert, oder aber mit einem grossen gedanken oder prinzip in ihrer fehlerhaftigkeit im gesamtsystem positioniert, aber immer auf akzeptierbare und gesichtwahrenlassende und oft augenöffnende weise; vorraussetzung für einen eisbrecher scheint mir jedenfalls zu sein, dass man einerseits wirklich etwas zu sagen hat oder eine position mit differenz öffnen möchte, dass man andererseits aber auch einen gewissen grad der abgeklärtheit erreicht bzw. alles gesehen hat, damit man sich nicht in nebenfronten verzettelt)
(abt. supermarket studies)
Die Zeitgenossen der Gesellschaft Pt. 17: Der Rechtmacher
Der Rechtmacher (m/w) ist ein abstrakter aber in den verschiedenen Instantiierungen extrem weit verbreiteter Zeitgenosse, der sich dadurch auszeichnet, dass er es den anderen Leuten Recht machen will.
Das ist sicher nicht die bösartigste Einstellung, die man haben kann, allerdings führt sie öfter als nicht zu unserem beliebten gut gemeint ist schlecht gemacht oder durchdacht.
Der mit Abstand größte Rechtmacher-Doofus ist natürlich Google – bei denen kann man fast die Hypothese aufstellen, dass das Rechtmachen ihre große Schwäche ist, sprich sie immer dann genial oder zumindest gut sind, wo sie versuchen irgendwas so gut wie möglich zu machen und mit diesen Serien dann etwa bei einem neutralen Funktionalismus (etwa gmail vor 6, 7 jahren) oder einer autoritären Algorithmokratie (etwa google suche vor 6, 7 jahren) landen, und immer dann bestenfalls unbeholfen oder debil sind, wo sie versuchen das dann noch besser zu machen, indem sie es personalisieren, antizipieren und eben dem User rechter zu machen (so ziemlich jeder versuch email oder die suchergebnisse in dieser richtung zu verbessern ist bis dato in einem fiasko oder einer stillen revision geendet, siehe dazu googleheimer). Wobei Gmail und Suche ja noch tendenziell resilient sind und die Interventionen von Google noch relativ locker wegstecken konnten, problematischer ist natürlich, dass die ganze Vision von Google in diese Richtung schielt.
die genuin falsche grundannahme ist, dass es dieses im moment ‘richtige’ gibt und man es nur auf basis der daten ausrechnen muß, daten hat google ja im idealfall wohl genug, es kennt den ort, es kennt die zeit, es kennt die gesamte vorgeschichte, alle bisherigen suchen, käufe, mahlzeiten, treffen, alle kontakte, die gesamte kommunikation, usw., da kann das dann wohl nicht so schwer sein. aber genau das ist der fehler. dieses ‘richtige’ gibt es nicht vorab, sondern nur retrospektiv. bei allem was den funken eines persönlichen werts hat, spielt das begehren eine viel grössere rolle als die summe aller neutraler sachverhalte. man kann glaub ich fast sagen, dass alles, was uns eine suchmaschine vorschlagen kann, per definitionem ‘wertlos’ wird und das begehren verscheucht. das begehren kommt immer nur von der seite, von der wir es nicht erwarten oder sehen können. google will also wohin, wohin es – zumindest für moderat komplexe lebewesen – nicht kann.
The Google Supposed To Know (nts: mich öfter selbst zitieren)
In eine ähnliche Sackgasse laufen aber auch alle anderen Rechtmacher, die die Zukunft der Ausdifferenzierung von sozialen Objekten (Zeitungen als personalisierte Nachrichtenströme, Fernsehen als personalisierte Ströme von Sendungen und Serien, etc.) in personalisierten Empfehlungssystemen sehen. Sie übersehen den entscheidenden Punkt, nämlich dass Wert nur aus Differenz entsteht. Wenn alles gut ist, ist nichts gut. Intensitäten kann man nur in Relation zu einem ‘Mangel’ erzeugen. Hunger ist der beste Koch. Und sie übersehen, dass Identitäten nur im aktiven Auslassen von dem, was man nicht ist, entsteht; das registrierende Auslassen ist eine wichtige Geste.
Empfehlungssysteme sind grossartig zur Inspiration, als Reize, als Serendipity, usw. – aber sie sind kein guter kategorischer Imperativ für gesellschaftliche mediale Produkte.
(wer sich noch daran erinnern kann: die über die filterbubble jammerten, jammerten exakt über den falschen punkt. das problem einer algorithmischen bubble ist nicht, dass man die alternativen stimmen nicht mehr zu sehen bekommt und deshalb auch keine alternativen blickwinkel kennen lernt, das problem der algorithmischen bubble ist, dass man die alternativen stimmen nicht mehr zu sehen bekommt und deshalb nicht mehr so tun kann, als gäbe es die ohnehin bestehende bubble nicht)
(abt. supermarket studies)
Die Zeitgenossen der Gesellschaft Pt. 16: Der den Elefanten übersieht
Der den Elefanten übersieht (m/w) ist ein häufig gesehener Zeitgenosse, der sich dadurch auszeichnet, dass er in einem Raum, in dem ein Elefant herumsteht und ein gewaltiger, immer noch dampfender Dunghaufen, den Elefanten ignoriert und beginnt, die wirrsten Thesen aufzustellen, wie man den Dunghaufen erklären könnte.
(der entscheidende punkt dabei ist nicht, dass der haufen sicher vom elefanten kommt, es kann natürlich immer auch ganz anders sein; der punkt ist, dass der elefant als offensichtlichste und/oder naheliegendste erste erklärung völlig ignoriert wird)
Die Zeitgenossen der Gesellschaft Pt. 15: Die Stummfilm-Diva
Die Stummfilm-Diva (m/w) ist ein gelegentlich gesehener Zeitgenosse, der sich dadurch auszeichnet, dass er vor 30, 40 Jahren mal ein Star war, er sein Selbstbild seit damals aber nicht mehr angepasst hat und nun nur noch in einer Scheinwelt lebt, in der er immer noch der Star ist, während die Welt weitergezogen ist und etwa Farbe und Ton bekommen hat.
Der Punkt, um den es mir dabei geht, ist das Divergieren von Selbstwahrnehmung und Fremdwahrnehmung, wobei die Selbstwahrnehmung oft durchaus verständlicherweise gleich bleibt, sich die Fremdwahrnehmung aber mitunter dramatisch verändert hat, weil sich die eigene Funktion für die Anderen dramatisch verändert hat, das jedoch nicht zur Kenntnis genommen wird. Und es geht dabei nicht um eine natürliche Evolution oder um unvermeidbare Kollateralschäden von einem ‘Fortschritt’, sondern um das Ignorieren von – oft natürlich technokulturell bedingten – Veränderungen und Verschiebungen der eigenen Position, was mittelfristig halt zu einer zunehmenden ‘Verrücktheit’ des eigenen Blickwinkels führt.
Wie das oft ausgeht wissen wir aus Sunset Blvd.
(die paradigmatischen stummfilm-diven sind derzeit natürlich die zeitungen und zeitschriften. immer, wenn man vom nächsten bezahlmodell hört, das sich irgendeine publikation ausgedacht hat, muss man sich ja kurz am kopf kratzen und sich fragen, wie sie sich auch nur ansatzweise denken können, dass das eine gute idee ist, oder wie sie sich auch nur irgendwie vorstellen können, dass das eigentlich funktionieren müsste. aber wenn man sie als stummfilm-diva konzipiert, wird das auf einmal schlüssig:
vor dem internet war des selbstbild der verlage noch halbwegs mit dem fremdbild für ihre leser im einklang. nach dem internet haben die verlage von sich selbst noch immer das gleiche selbstbild, aber das fremdbild für die leser hat sich fundamental verändert, ebenso wie alle jobs, die sie für ihre leser noch erfüllen. dieser umstand wird von der verlagen aber mit doch bemerkenswerter sturheit übersehen und/oder verdrängt.
wenn man so will: vor dem internet waren zeitungen für die zeitungsmacher und für die leser ein menü mit suppe, wienerschnitzel, salat und einem seidel bier. was anderes gab es im anderen gasthaus des dorfes auch nicht, und es war günstig und hat wirklich gut geschmeckt – es war also für alle ein guter deal. nach dem internet sind zeitungen für die zeitungsmacher selbst noch immer das gasthaus mit diesem köstlichen menü, für das leute aus der ganzen welt angereist kommen – aber für die leser haben sich die einzelnen gerichte der speisekarte schon vor jahren aufgelöst und mit allen anderen gerichten aller anderen gasthäuser zu einem einzigen, überall und immer verfügbaren, megalomanischen all-you-can-eat buffet mit köstlichkeiten aus der ganzen welt rekombiniert. der leser sieht die gasthäuser der zeitungen überhaupt nicht mehr; wenn der gurkensalat wirklich gut war, dann schlägt man vl. mit besonderer freude zu, wenn man im buffet darüber stolpert, und wenn das wienerschnitzel wirklich besonders zart und knusprig war, dann merkt man sich vl. sogar den ort, aber wenn nicht auch kein problem. wie gesagt: selbstbild der verlage und fremdbild für die leser stimmen nicht mehr überein, weil sich für die leser die funktion, der wert und die relativen vorteile der zeitungen komplett verändert haben.
es ist nicht gänzlich unverständlich, dass die verlage den umstand, dass sich die umwelt verändert hat und sie für alle anderen plötzlich eine andere funktion erfüllen, einfach verdrängen. ihre internen prozesse zur erstellung von texten haben sich ja vglw. wenig verändert, der aufwand zur erstellung von ‘aufwändig recherchierten’ artikeln wurde nicht viel kleiner, die grossartigkeit des geschmacks oder der urteilskraft des redakteurs nicht schwächer, es gibt noch immer viel vom gleichen zu tun. der gedanke, dass sie für die leser nicht mehr der informationsnabel der welt sind, kommt ihnen ganz einfach gar nicht, und deshalb haben sie ihren eigenen anspruch überhaupt nie reflektiert oder überdacht und also auch nicht angepasst.
das problem ist halt, dass in der realität das selbstbild mit dem fremdbild konfrontiert wird, und dass ein zu stark divergierendes selbstbild zu aktivitäten führt, die einfach nicht mehr angenommen werden oder anschlussfähig sind. sich im all-you-can-eat buffet hinzustellen und für den gurkensalat eine zusätzliche wöchentliche pauschale zu verlangen und die wienerschnitzel à la carte zu verkaufen wird selten funktionieren, auch wenn das vl. ungerecht ist, weil sie sich beim kochen wirlich sehr bemüht haben und sie wirklich gut schmecken. es nützt halt nichts.
solange sie aber nicht den blickwinkel wechseln und ihre funktion einmal von aussen wahrnehmen, werden sie zu keinen massnahmen kommen, die tatsächlich funktionieren könnten. sie brauchen also einen realitätscheck, sie müssten wirklich einmal in einen spiegel schauen und das ist natürlich nicht leicht und wird mit jedem jahr schwerer)
((nur ein hint: auch vor dem internet haben die leser nie für den eigentlichen ‘journalismus’ bezahlt und das wussten die zeitungen auch selbst, es war aber gwm. notwendig so zu tun als ob es so wäre; dafür nach dem internet geld zu verlangen ist also völlig aussichtslos. aber sie waren doch aus anderen gründen ein wirklich attraktives produkt und haben eine ganze reihe an anderen jobs erfüllt; ihre überlegungen für die gegenwart und zukunft sollten also eher in die richtung gehen, welche davon noch immer funktionieren könnten und welche neuen sie vl. erfüllen könnten. ein guter startpunkt ist dabei übrigens immer cwf+rtb. das problem dabei ist, dass das eine gewisse ehrlichkeit, bescheidenheit und realismus erfordert, keine eigenschaften mit denen sie sich als stummfilm-diva bisher ausgezeichnet haben. aber wieder: es nützt halt nichts))
(abt. supermarket studies)
Die Zeitgenossen der Gesellschaft Pt. 14: Der endlose Geschichtenerzähler
Der endlose Geschichtenerzähler ist ein wirklich selten gesehener Zeitgenosse, der sich dadurch auszeichnet, dass er Thesen, Behauptungen und Aussagen quasi endlos fortsetzen kann und jedenfalls nie zu einem echten Punkt bringen muss, weil er in seiner Narration an fast beliebiger Stelle Abzweigungen folgen kann, die er dann mit der gleichen narrativen Qualität vorträgt, oder indem er in Begriffe oder Themen hineinzoomt, die er dann oft in enzyklopädischer Gebildetheit erklärt und darlegt, usw.
(wenn es wirklich gut läuft erzeugt er einen raum, der selbst interessanter ist, als es die these jemals gewesen wäre und den man quasi ‘serendipitös’ durchlaufen kann; üblicherweise ist der effekt aber, dass ein gedanke wesentlich wichtiger klingt, als er ist und der gwm. nur mit einer bedeutungsscheinschwangerheit aufgeladen wird. anders als der schaumschläger, der einfach willkürliche anschlüsse mit einem rolodex aus bullshit bingo permutiert, steht sich der endlose geschichtenerzähler mit seiner bildung und tief empfundenen assoziationen quasi selbst im weg)
(abt. supermarket studies)
Die Zeitgenossen der Gesellschaft Pt. 13: Der Schlüssige
Der Schlüssige ist ein extrem selten gesehener Zeitgenosse, der sich dadurch auszeichnet, dass er üblicherweise immer sehr schlüssig ist.
(ich bin mir nicht ganz sicher, ob es objektiv schlüssige gibt, also leute, die eine art universelle schlüssigkeit repräsentieren, die man dann halt erkennen kann oder nicht, oder ob schlüssigkeit nur subjektiv und kontextuell entsteht, wobei diese subjektivität dann natürlich trotzdem objektiv ist; vermutlich gibt es beides)
(abt. supermarket studies)
Die Zeitgenossen der Gesellschaft Pt. 12: Der Forderer
Der Forderer ist ein relativ weit verbreiteter Zeitgenosse, der sich dadurch auszeichnet, dass er Dinge fordert.
(die forderungen selbst sind meistens weder begründet noch in den konsequenzen analysiert oder durchdacht, müssen es aber auch nicht sein, weil ihre funktion üblicherweise darin besteht, einen erwartbaren inhaltlichen vektor für eine repräsentierte gruppe zu etablieren, der dann als kalkül in politischen tauschgeschäften eingelöst werden kann (was übrigens nicht notwendigerweise (aber natürlich öfter als nicht) bedeutet, dass die forderungen selbst blöd sind); und natürlich gibt es auch andere typen, allerdings nur im promille-bereich und inhaltlich dann oft mit sogenannten nonetnonas)
(abt. supermarket studies)
Die Zeitgenossen der Gesellschaft Pt. 11: Der indifferente Instanziierer
(eher devoha weil eine art inversion vom solipsistischen generalisierer ..)
Der indifferente Instanziierer ist ein relativ weit verbreiteter Zeitgenosse, der sich dadurch auszeichnet, dass er Binsenweisheiten resp. allgemeine Gesetzmäßigkeiten in Unterkategorien wiederentdeckt resp. neu konstatiert.
(die aussagen sind also semantisch nicht falsch, aber trotzdem irgendwie daneben, weil sie etwas bedeutungsschwanger als konkrete eigenschaft oder signifikante strukturlogik betonen, was ohnehin auf alles (oder zumindest vieles andere) auch zutrifft. man erkennt das leicht, wenn man für das behandelte thema jedes beliebige andere thema einsetzen kann. während also der solipsistische generalisierer aus einzelerfahrungen allgemeine gesetzmäßigkeiten ableitet, erzählt der indifferente instanziierer allgemeine gesetzmäßigkeiten in einzelerfahrungen.)
(abt. supermarket studies)
Die Zeitgenossen der Gesellschaft Pt. 10: Der diskursive Lobotomiker
Der diskursive Lobotomiker ist ein weit verbreiteter Zeitgenosse, der sich dadurch auszeichnet, dass er in seinen Texten und/oder Gedankengängen und/oder Argumentationen Schnitte einführt, die die vorgetragenen Propositionen vollständig trennen.
(anders als etwa der immer leicht danebene macht der diskursive lobotomiker keine ‘denkfehler’ innerhalb eines diskursiven milieus, sondern kommt frei flottierend von einem plateau zu einem mehr oder weniger gänzlich anderen, wobei es zwischen den plateaus aber auch keine allegorische oder metaphorische beziehung gibt; sprich: alles kann einstieg oder begründung für alles andere sein)
((wenn man so will ist der diskursive lobotomiker eine verallgemeinerung von eco’s irrem, der alles auf eine einzige fixe idee bezieht und den man deshalb leicht erkennt, man denke an morozov))
(abt. supermarket studies)
Die Zeitgenossen der Gesellschaft Pt. 9: Der Einrenner offener Türen
Der Einrenner offener Türen ist ein weit verbreiteter Zeitgenosse, der sich dadurch auszeichnet, dass er sich – oft durchaus geistreich und – mit Verve gegen Behauptungen oder Positionen stellt, die allerdings ohnehin niemand vertritt. Er rennt also offene Türen ein, die vermeintliche Antithese würde von dem/den Kritisierten häufig unterschrieben.
(für systemische ausdifferenzierungen kann der einrenner offener türen nützlich sein, weil er unausgesprochene grundannahmen sichtbar und also diskutierbar macht)
((eine variation vom einrenner offener türen ist der negativ-dialektische spiraler, der nicht mit einer ‘unterstellten richtigkeit’, sondern mit einer ‘unterstellten falschheit’ (also etwas, das ohnehin niemand vertritt, das aber auch wirklich niemand vertreten würde) beginnt, und diese dann – oft mit gehörigem pathos – mit einer vl. etwas weniger blöden aber üblicherweise immer noch ziemlich danebenen gegenposition entgegnet. im besten fall werden dabei sogenannte duhs produziert, wie sie der einrenner offener türen gerne aufgreift))
(((weil gerade mehrfach durch meine timeline gespült: schönes beispiel für einen EOT mit positiver traktion ist we need to talk about TED)))
(abt. supermarket studies)
Die Zeitgenossen der Gesellschaft Pt. 8: Der Annehmer
Der Annehmer ist ein extrem weit verbreiteter Zeitgenosse, der sich dadurch auszeichnet, dass er Dinge, Technologien, Phänomene sofort mit Annahmen bezüglich ihrer Wirkungskraft oder Effekte belegt und oft im gleichen Schwung ein dementsprechendes moralisches Urteil fällt.
(die annahmen sind dabei fast immer ein blödsinn, egal ob sie sich retrospektiv als richtig oder falsch erweisen, das muss man leider so sagen; irgendwas stimmt natürlich immer, aber nicht weil man es wissen konnte. technologien verschieben üblicherweise einfach das milieu der möglichkeitsräume, aber welche selektionen dann stattfinden, welche linien verfolgt werden und wie sich alles sozial auf- und ausdifferenziert ist historisch kontingent)
(abt. supermarket studies)
Die Zeitgenossen der Gesellschaft Pt. 7: Der Ungestörte
Der Ungestörte ist ein extrem seltener Zeitgenosse, der sich dadurch auszeichnet, dass er sich vom ganzen Geschwafel um ihn herum nicht ablenken lässt. Er nimmt es durchaus war und er nimmt auch daran teil, aber es stört nicht seinen Blick.
(ein überlebender des verkehrsunfalls diskurs, wenn man so will. siehe nützliche unterscheidungen pt. 9. der einzige, der mir im themenfeld web einfällt, ist seth godin)
(abt. supermarket studies)
Die Zeitgenossen der Gesellschaft Pt. 6: Der Überwinder
Die Überwinder ist ein in letzter Zeit häufig gesehener Zeitgenosse, der sich dadurch auszeichnet, dass er sich selbst als Vertreter (oder auch nur ungewollter aber jedenfalls Teil) einer neuen, digitalen Formation sieht, die im Begriff ist, eine alte, analoge Formation abzulösen. Der Ablösungsprozess selbst wird dabei als mitunter durchaus kämpferisches Handeln für die revolutionäre Sache innerhalb einer allerdings natürlich gesehenen Evolution von etwas Einfacherem zu etwas Besserem gesehen, wobei sich die alte Formation aber durchaus auch wehrt, also zu überwinden gilt.
Die dabei produzierten Aussagen sind dabei oft gar nicht falsch, das Problem seh ich eher darin, dass sich die Position für den eigenen Blick von Anfang an in einem weniger fruchtbaren Gegensatz verfängt, was in der Folge dazu führt, von Anfang an weniger fruchtbare Unterscheidungen aufgedrängt zu bekommen, die man dann kaum mehr los wird. Oft sind das eben genau die alten, eigentlich zu überwindenden Differenzen, die sich dadurch quasi in den Blick selbst hineinretten.
(das spektrum der überwinder reicht natürlich von der liebenswerten dumpfbacke bis zum zynisch-pragmatischen vollprofi, der genau weiss, dass er sich damit (und eig. nur damit) am effizientesten sein massenmediales scheinwerferlicht abholen kann)
((ein subtypus ist übrigens der selbstüberwinder, ein überwinder, der aber zumindest ein bisschen mit sich ringt und irgendwie kurz davor steht das überwinden selbst zu überwinden. ein interessantes beispiel dafür ist der auf g+ dokumentierte schreibprozess vom bildungsbuch von yuri m lotman. kein expose – etwa heute – kommt ohne die tropen ‘früher wars mal so (langsam, zeitlich begrenzt, bürokratisch, verkrustet, …), aber jetzt geht das nicht mehr, jetzt läuft das so (schnell, lebenslang, graswurzelig, verflüssigt, …)’ aus, aber man spürt gleichzeitig auch das unbehagen mit sich selbst und gwm. ein dahinter der begriffe))
(abt. supermarket studies)
Die Zeitgenossen der Gesellschaft Pt. 5: Die Bauchrednerpuppe
Die Bauchrednerpuppe ist ein in letzter Zeit öfter gesehener Zeitgenosse, der sich dadurch auszeichnet, dass er Aussagen produziert, die ganz offensichtlich von woanders her kommen und dabei ein unheimliches Verhältnis zum Ausgesagten definieren.
Die Aussagen selbst sind dabei oft gar nicht falsch, die verwendeten Wörter stimmen alle und stammen aus dem aktuellen Diskurs. Was aber irgendwie nicht stimmt ist die Rekonstruktion der Position aus der sie gesagt werden. Wenn man will kommt es zu keiner Schliessung zwischen den Wörtern und den Worten im Imaginären.
(nur als beispiel: einige stellungnahmen oder programme von organisationen oder parteien klingen in letzter zeit entgegen jeder davor gezeigten disposition plötzlich, als wären sie mal schnell von netzpolitik via copy und paste genommen. inhaltlich ist es nicht zu kritisieren, aber man spürt auf der anderen seite der signifikanten nur einen unheimlichen abgrund)
(den begriff beziehe ich übrigens weniger auf subjekte als auf den diskurs selbst; ein verwandtes, aber genuin davon zu unterscheidendes phänomen ist das von they live bekannte prinzip des geheimen/anderen subtextes, also das eine zu sagen aber das andere zu meinen. bei der bauchrednerpuppe ist das verhältnis zum gesagten selbst gespenstisch)
(abt. supermarket studies)
Die Zeitgenossen der Gesellschaft Pt. 4: Der immer leicht Danebene
Der immer leicht Danebene ist ein eher seltener Zeitgenosse, der sich dadurch auszeichnet, dass er mit seinen Aussagen, seinem Verständnis und seinen Schlussfolgerungen immer leicht daneben liegt. Wenn man so will sieht und denkt er nicht unscharf, hat also keine falsche Brille auf der Nase, aber einen leicht verzogenen Diopter.
(für mich ist das paradigmatische beispiel für den immer leicht danebenen alexander kluge’s stimme aus dem off bei den dctp sendungen; er ist eine quelle für – oder eig. ein strom an – assoziationen, verknüpfungen, ableitungen und verdichtungen, aber je ‘rigoroser’ sein jeweiliges gegenüber denkt, desto mehr muss es sich lustigerweise winden, den gedankengang wieder einzufangen, bevor die schlussfolgerungen dann wieder losgaloppieren)
(für systemische ausdifferenzierungen ist der immer leicht danebene wichtig, weil er anschlusskommunikation ermöglicht/erfordert und weil er verbindungen herstellt, die es eigentlich nicht geben dürfte)
(abt. supermarket studies)
Die Zeitgenossen der Gesellschaft Pt. 3: Der Sturschädel
Der Sturschädel bleibt stur bei einer Verhaltensweise, die er als richtig empfindet, auch wenn ihm die Welt das Gegenteil sagt.
Dabei ist grundsätzlich egal, ob er mit seinem Konstrukt ‘hinten’ oder ‘vorne’ ist, ob er re- oder deterritorialisieren will, ob er alte Machtstrukturen bewahren oder utopische Kraftstrukturen bewirken will – der Punkt ist, dass er sein Handeln an seinem Glauben wie es sein sollte und nicht an der Welt wie sie ist ausrichtet.
(für systemische ausdifferenzierungen ist der sturschädel wichtig, weil er – anders als der binäre switcher oder der solipsistische generalisierer – verharrt und damit stabilisiert; ein system bekommt natürlich ein problem, wenn es zu viele sturschädel gibt. und er ist wichtig, weil ‘glaube’ auch systemwirksam werden kann)
(abt. supermarket studies)
Die Zeitgenossen der Gesellschaft Pt. 2: Der solipsistische Generalisierer
(eher devoha weil eine art strukturelle ergänzung zum binären switcher ..)
Der solipsistische Generalisierer braucht nur eine einzige persönliche Erfahrung, um daraus einen Trend oder ein allgemeines Gesetz ableiten oder konstatieren zu können.
(für systemische ausdifferenzierungen ist der solipsistische generalisierer wichtig, weil er anders als der binäre switcher zwar ein gedächtnis, aber gwm. keine geschichte hat und also vl. bzw. höchstwahrscheinlich an anderer stelle schon gelöste probleme oder komplexe wiederholt, aber möglicherweise mit einem anderen blick reinjiziert)
(abt. supermarket studies)
Die Zeitgenossen der Gesellschaft Pt. 1: Der binäre Switcher
(eine art subserie zu den nützlichen unterscheidungen, wobei die jeweiligen typen dann natürlich selbst das ergebnis von getroffenen entscheidungen sind, aber es ist sinnvoll sie (getrennt) zu behandeln, weil sich mitunter die auswirkungen von getroffenen unterscheidungen je nach exposition mit konkreten ensembles verschiedener typen völlig unterschiedlich gestalten können)
Der binäre Switcher hat in seinen Bewertungsregistern nur zwei Zustände, wobei ein jeweiliger Zustand zwar relativ stabil ist, aber jederzeit auch durch ein Ereignis umgestellt werden kann.
Bewertungsregister sind etwa: mag ich jemanden/etwas oder nicht; vertraue ich jemandem/etwas oder nicht; glaub ich jemandem/etwas oder nicht; folge ich jemandem/oder nicht; kauf ich etwas oder nicht; etctrara. Wechselereignisse haben je nach Subtyp unterschiedliche Thresholds, können aber tatsächlich erstaunlich ‘unbedeutend’ aber auch ziemlich hoch angelegt also grundsätzlich wechselresistent sein.
(für systemische ausdifferenzierungen ist der binäre switcher wichtig, weil er gwm. kein gedächtnis hat und also nicht ‘nachtragend’ ist und also viel leichter richtungswechsel initiiert oder mitmacht als andere; gleichzeitig ist das aber natürlich auch sein problem, weil er wissen in einen zustand der atemporality auflöst)
((ein subtyp des binären switchers ist der kill switcher. dieser zeichnet sich dadurch aus, dass er nicht mehr auf on springt, wenn er einmal – üblicherweise dann wegen einem signifikanteren ereignis – auf off gesprungen ist. auch der kill switcher hat ausdifferenzierungstechnisch wichtige funktion, aber eben auch seine probleme))
(abt. supermarket studies)