Mission Accomplished
Who the fuck was I chasing?
McNulty Season 3 Episode 12 11:30
What the fuck was I thinking?
Mayor Clarence V. Royce Season 3 Episode 12 24:50
(hab mich über ostern endlich an the wire herangewagt und die ersten drei seasons angeschaut)
((die zwei zitate rollen die season 3 sehr nett zusammen und bei beiden funkelt etwas auf, was man im fernsehen eigentlich nie sieht, und zwar eine art ungekünstelte wahrheit, die man durch die augen der protagonisten erlebt; das Who the fuck was I chasing?
stammt von mcnulty, nachdem er nach dem tod von stringer bell dessen wohnung durchsucht, die er so nicht erwartet hat; das What the fuck was I thinking?
kommt von Mayor Royce, als er die medienberichte über hamsterdam mitansehen musste; in beiden fällen ist es natürlich so, dass mcnulty resp. royce weniger bzw. anderes über die sachverhalte wissen, als die zuschauer, aber in beiden fällen ermöglicht das aha-erlebnis von mcnulty resp. royce auch im zuschauer das aufblitzen eines unmittelbaren zugangs zu den dingen an sich, zumindest für den moment, wo sich in den protagonisten der blick verschiebt, weil sich im gleichen moment auch im zuschauer der blick (auf etwas andere art) verschiebt; zumindest für mich wurde stringer bell damit irgendwie zum eigentlichen ethischen charakter von the wire, weil das medium wohnung seine ehrliche sehnsucht nach, hmm, schwer, weil es nicht nach dem guten ist, aber auch nicht nach was besserem oder sonstwas, jedenfalls dieser seiner ehrlichen utopischen sehnsucht vermittelt; und der fall royce konstruiert eine aussergewöhnliche dialektik: die wahrheit versteckt sich in der ‘falschheit’ der medien; auch wenn sich die medien natürlich reisserisch auf hamsterdam stürzen, sie haben, wenngleich aus den falschen gründen, recht, und durch den knacks, den royce erlebt, wird auch der eigene knacks getriggert, der zwar schon lange davor naheliegend war – man denke an den trip von bubbles in den strassen von hamsterdam – aber noch nicht wirklich da; dabei interessant, dass diese vermittlung selbst die vermittlung via royce braucht, sprich: die berichte der medien allein hätten nicht ausgereicht und die sympathien mit dem phantasma eher verstärkt))
Model Studies
kl. Nachtrag zu Community College : die Model Thinking Klasse hat gerade ihr Midterm und deshalb nochmal ein kleiner Anstups; die Videos sind auch ohne Anmeldung einsehbar, ein langes Wochenende reicht wohl auch zum Catchup aus und zumindest ich hatte in den letzten Jahren selten mehr Bang für den Buck (Time).
Der Kurs ist (wenn man allem folgen will, was auch nicht notwendig ist, weil er sehr modular ist) nicht ganz einfach, aber Hausverstand und ein bisschen Lust an logischem Denken reicht (im Gegensatz zu den anderen Stanford-Kursen, in die ich hineingeschnuppert habe) locker aus, also keineswegs schwer, aber sehr gut (mich dünkt man müsste viel viel mehr Zeit investieren, um dann einen signifikant höheren Nutzen zu haben); Scott Page hat spürbar Lust am Thema und ist extrem gut darin, die Modelle auf einem Abstraktionsniveau zu erklären, das gleichzeit verständlich und non-trivial ist, und sie dann auch in ihrer Relevanz für unser Dasein zu positionieren.
(fast bei jedem modell hat es bei mir irgendwie kling kling kling gemacht und plötzlich hatte ich ein instrumentarium dafür, irgendein phänomen zu fassen, das davor irgendwie meistens in der konzeptionellen suppe der überkompliziertheit geschwommen ist. und eines der ersten dinge die man lernt, ist, die bedingungen zu klären, unter denen die jeweils getroffenen grundannahmen gültig sind (was mir, so blöd es klingt, schon alleine dabei geholfen hat, meinen gereiztheitszustand gegenüber einigen feldern zu senken, weil ich mich z.b. bei aussagen nicht mehr über die inkonsistenzen und willkürlichen grundannahmen ärgere, sondern eher den gültigkeitsbereich skizziere, den es ja trotzdem meistens auch gibt). ein anderes ist, dass man plötzlich ein auge für modelle bekommt und sie erkennt, wenn sie etwa von anderen menschen angewandt werden (ob sie es jetzt wissen oder nicht). auch das führt mitunter zu einer defrustrierung mit den mitmenschen, weil man ihren irr- und unsinn oft als rationales verhalten (halt unter suboptimalen grundannahmen) zumindest nachvollziehen kann; viele der aktuellen konfikte sind halt einfach ein clash zwischen optimierung eines big coefficient der sich leider einer new reality gegenüber (nicht) sieht. oder sie helfen beim etablieren eines ‘feelings’ für die dynamik von equilibrien von szenarien, die übrigens oft contraintuitiv sind)
On Stranger Tides
(wenns nicht so lustig wär, wärs eigentlich traurig, aber mit dem erfolg der piraten im saarland hat sich nun endgültig eine situation etabliert, bei der sich einige gesellschaftliche paradoxien entladen wollen, an denen davor noch unbekümmert vorbeigeschaut werden konnte, die als lästiger kinderkram abgetan werden konnten, usw. wohin nur mit der plötzlichen kognitiven dissonanz, die ja nach dem aha-erlebnis ja auch retrospektiv gedeutet werden muss? und hier erleben wir derzeit wohl eine art theater, das es nicht so oft gibt: man kann einem kollektiv (besonders natürlich leuten aus politik und medien, aber nur deshalb, weil die halt einerseits bedrohte investments und andererseits exposition haben) förmlich beim nichtverstehen zusehen. in dieser dichte (es muss ja sowohl eine quantitatives momentum als auch eine zeitliche synchronisation geben) gibt es das selten und vor allem: aus irgendeinem grund wird auch die lösung nicht gefunden, alle stehen gemeinsam auf dem schlauch)
((die lösung ist natürlich: reboote deinen blick. man muss wirklich nur hinschauen, ohne die mantras ‘dagegen’ im kopf zu haben und vor allem auch ohne den mantras ‘dafür’, weil die oft noch danebener sind und in die falle der dann doppelt falschen widerlegung locken. aber den notwendigen ersten schritt, die de-essentialisierung vom web als ding, von der internetgemeinde als gruppe, etc., der ist anscheindend schwer zu machen))
Sisquoc and Shatash
kl. Nachtrag zur Eagle Cam : die Condor Cam (via)
(anhand der popularität und ‘stickiness’ der einzelnen bird- und wildlife cams ließen sich übrigens verschiedene modellarten (informationsdiffusionsmodelle von netzwerken, tippingpointmodelle, etc.) recht gut parametrisieren, weil es ja zu den verschiedensten effekten und aufmerksamkeitsverteilungen kommt, die aber tatsächlich ‘reine’ systemeffekte sind) ((wobei, vl. spielen da doch auch so archetypische oder totemistische elemente eine rolle, hmm))
Twitterous
devoha: Twitter hat Posterous übernommen (ann) – war wohl eher eine Talent Acquisition und nicht ganz zu unrecht, von einigen Patzern und kleineren Blödheiten abgesehen waren sie tatsächlich durchgehend innovativ.
(ist natürlich als problem nicht neu sondern ein dauerzustand aber hier auf alle fälle wieder mal reaktualisiert: das web differenziert sich nicht mehr auf basis interner kräfte und milieuverschiebungen aus, sondern wurde zu einem globalen investitionsobjekt, das weniger von ökosystemischen mechanismen als von spekulativer spieltheorie geprägt wird; wir kennen das ergebnis aus der echten welt, abholzung des regenwaldes, monsanto, nutzland und nahrung als spekulationsobjekte mit angeschlossenen hungersnöten, etctrara, zum glück im web weniger tragisch und mit tatsächlich echten alternativen; jedenfalls bedenklich, wie wahrscheinlich es mittlerweile ist, dass ganze kulturen oder landstriche einfach ausgelöscht werden, weil die gründer die eigene position innerhalb ihres metaspiels gewinnen oder zumindest konsolidieren wollen)
Leftovers 2011 (Axis of Good Edition)
doch noch ein Leftover (siehe die Filter oder die non sequiturs oder die allgemeine Cluelessness oder die Begrenzung der Wirksamkeit oder die Gleichzeitigkeit der Ungleichzeitigkeiten oder die Differenzen oder das Web als Selbstdifferenz): Auch nicht wirklich weitergekommen sind wir beim Bewerten von Aussagen für oder gegen (das Web | whatever). Aussagen, die sich vermeintlich für das jeweilige aussprechen, was man auch gerade glaubt, werden zitiert und verstärkt, egal wie blöd sie sind; Aussagen dagegen werden undifferenziert und mit einer fast schon feudalistischen Hörigkeit disqualifiziert und/oder ignoriert.
(das läuft auf allen ebenen, aber als beispiel ganz furchtbar ist etwa netzpolitik.org und die netzpolitik crowd mit dem pawlowschen interpretieren von ereignissen; oder die G+ crowd; etc. die liste ist aber lang.)
Leftovers 2011 (Dead Man Edition)
Auch nicht (siehe die Filter oder die non sequiturs oder die allgemeine Cluelessness oder die Begrenzung der Wirksamkeit oder die Gleichzeitigkeit der Ungleichzeitigkeiten oder die Differenzen) wirklich weitergekommen sind wir mit dem Töten vom Web.
Das Web ist natürlich schon längst tot. Nicht als Technologie oder System bzw. Umwelt. Aber als Begriff zur Beschreibung und Erklärung von Ereignissen die stattfinden, weil es das Web eben gibt.
Wir sind mit der Ausdifferenzierung an einem Punkt angekommen, an dem das Web eine systemische Autonomie erreicht hat, an der es nicht länger sinnvoll ist, sich über ‘das Web’ als Ursache der durch das Web ausgelösten Ereignisse und Phänomene zu wundern oder das Web selbst deshalb zu bejubeln oder zu kritisieren oder sich insgesamt groß zu wundern. Es ist mittlerweile auch schlicht sinnlos, ‘für’ oder ‘gegen’ das Web zu sein, dem Web kritisch gegenüberzustehen oder nicht, etc.
Das Web verhält sich zur Gesellschaft in einer losen Analogie wie sich unser Gehirn zu unserem Bewußtsein oder die Sprache zu unseren Gedanken oder die Technologie Film zu Filmen verhält.
Damit wir als Biosysteme Bewußtsein haben können, brauchen wir ein Gehirn. Damit wir sprachlich denken können, brauchen wir die Sprache. Aber so faszinierend wohl das Gehirn und die Hirnforschung und alle Varianten der Linguistik sind, die konkreten Gedanken setzen Gehirn und Sprache voraus, emanzipieren sich einmal gedacht aber davon und unser sprachlicher Alltag funktioniert auch (oder weil) wir nicht jeden Gedanken in seinen materialistischen Voraussetzungen kontextualisieren; auch wer viel redet wird nicht als Sprachaktivist angesehen oder als Mitglied irgendeiner Gehirngemeinde.
Damit es Filme geben kann braucht es die (Erfindung der) Technologie Film (die selbst wiederum natürlich in einen historisch gewachsenen technokulturellen komplex eingebettet ist, wie auch das web in einen historisch gewachsenen technokulturellen komplex eingebettet ist). Aber jeder Film ist ein eigenes Ding, das zwar das Medium benötigt, aber in seiner Wesensheit mehr mit der Ausdruckskraft der Beteiligten zu tun hat, dem Bündel aus Regie, Script, Schauspielern, Montage, Sound, usw.
Komplexe Systeme wie Gehirn, Film oder eben das Web spannen neue Möglichkeitsräume auf, fungieren als Katalysatoren, sind Zentren und Knoten, durch die andere Kräfte und Vektoren verstärkt, beschleunigt, verdichtet oder auch erst ermöglicht werden können oder auch nicht, etctrara. Die auf ihnen stattfindenden partikularen Ereignisse und emergenten Phänomene basieren dann zwar auf ihnen, lassen sich aber nicht mehr damit begründen oder zurückführen.
Und das gilt nicht nur für das Web als ganzes, sondern auch für alle webbasierten Plattformen wie Facebook oder Twitter, die technologisch und konzeptionell vl. trivial sind, aber eine komplexe soziale Eigenlogik triggern können. Wir müssen lernen, die Effekte (und deren ‘Sinn’) getrennt vom tragenden Kanal zu behandeln, uns also eher anzuschauen, ‘was’ da genau passiert und uns nicht high fives zu geben, nur weil was im Web oder auf Twitter passiert. Diese Zeit ist vorbei.
(die gute nachricht am rande: auch wenn das derzeit primär ein symptom der denkfaulheit ist, bei dieser art an diskurs handelt sich wohl auch nur um ein übergangsphänomen, das in ein paar jahren einfach verschwunden sein wird)
Leftovers 2011 (Difference Edition)
Auch nicht (siehe die Filter oder die non sequiturs oder die allgemeine Cluelessness oder die Begrenzung der Wirksamkeit oder die Gleichzeitigkeit der Ungleichzeitigkeiten ) wirklich weitergekommen sind wir beim Einführen, Prozessieren und Postprozessieren von (nützlichen) Differenzen.
(die effekte reichen von naja, schade und ärgerlich bis fatal und unerträglich; und natürlich auf allen ebenen, persönlich, peergroupig, sozial, global, universal; oft sind differenzen fast selbstevident fassbar durch das simple verwenden von begriffen, und doch zerfliessen sie uns unter den fingern, wenn wir sie nicht habituell reaktualisieren)
((nicht deshalb aber dazu passend sei hier nochmal auf die model thinking klasse verwiesen; die hilft vl. nicht beim definieren der idealen differenzen für die eigenen idiosynkratischen gegebenheiten, aber sie hilft doch beim reduzieren der komplexitäten und schult das konsequente durcharbeiten von annahmen; und auch bei einfachsten annahmen kommt man schon erstaunlich weit; u.a. lässt sich etwa die gesamte aufregung um gauck mit einer leichten variation des standing ovations modells erklären, ohne auf semiotische, memetische oder demokratiepolitische verwebungsszenarien zurückgreifen zu müssen, die die analyse in eine komplexitätsbedingte unendliche unauflösbarkeit verscheiben))
Bot Bot Go
Apropos Twitter, New, Etc. : wirklich sehr angetan bin ich von Tweetbot for the iPad (ann) – die haben zum Glück Twitters idiotische Empfehlung doch besser keinen Twitter-Client mehr zu entwickeln ignoriert und eine gut durchdachte und elegante Alternative gebaut, die das offizielle Twitter alt ausschauen lässt (wobei ich die offizielle iPad-App an sich nicht schlecht finde, sie ist eine Baseline-Version, die die durschnittliche Benutzung reflektieren muss; aber das ist ja genau der Grund für die Schwachsinnigkeit von Twitter: gut genug für den durchschnittlichsten Anwendungsfall bedeutet halt auch nicht wirklich gut für gar nix; usw.)
Vor allem haben sie den Client-Filter implementiert, den ich mir schon sehr lange wünsche. Weitere nette Features: im eingebauten Browser zum Betrachten von Links kann man gleich auf Readability stellen; man kann sich einige Dienste (Instapaper, Pinboard, …) zum Späterlesen konfigurieren (genial!), man kann das Retweet-Format konfigurieren, also auch etwa mit ‘RT @name ..’ retweeten (auch super), überhaupt kann man so ziemlich alles konfigurieren, auch die Gesten usw.; Listen sind vollwertige Timelines; und vieles mehr. Eine Empfehlung.
Quiz Pt. 54 Solution
Ich bin euch/Marcel ja noch die Auflösung von Quiz 54 bzw. der Frage, warum Pinterest so erfolgreich werden konnte, schuldig. Wie gesagt, richtige Antwort gibt es sowieso nicht, natürlich spielt da eine Reihe von Faktoren zusammen. Anyway:
(1) Die Pflicht: Es hat die notwendigen inhärenten Merkmale einer guten Webanwendung. Das Design stimmt, man versteht schnell um was es geht, die Features stimmen, die sozialen Achsen stimmen und laufen auf mehreren Dimensionen, die Performanz stimmt, es befriedigt den Impuls des Jagens, Sammelns und Kuratierens, etc. Alles zumindest gut genug.
(dieser punkt ist üblicherweise notwendig, aber natürlich keineswegs hinreichend. i.e. nicht jede auch sensationell gut gemachte seite wird erfolgreich, duh)
(2) Die Kür: Es etabliert – und das ist doch eine Leistung an sich – einen neuen fundamentalen Datentyp: den Pin.
(das ist dann auch das flottierende soziale objekt)
(3) Die Kernreaktion: Es hatte sich eine funktionierende Community etabliert gehabt, bevor die Pundits, ‘early adopters’ und Massenmedien drauf gestossen sind. Das ist der wichtigste Punkt.
Pinterest ist ja vor fast zwei Jahren gestartet, ist also keineswegs vom Himmel gefallen. Dann blieb es allerdings ca. 1,5 Jahre lang mehr oder weniger unentdeckt, hat sich aber in der ‘kreativen’ Szene nicht nur als Geheimtipp etabliert. Ein früher Eindruck :
Ein schneller Blick verrät: Pinterest zieht vor allen Dingen weibliche Nutzer an; vom Moodboard für die eigene Hochzeit, über Mode und Ausgehfrisuren sowie Inneneinrichtungsideen bis zu Designinspirationen ist so ziemlich alles vertreten, was das kreative Web derzeit umtreibt.
Damit haben sie sich selbst die Bedingung für die spätere Möglichkeit zur viralen Explosion geschaffen, weil – als dann der Impuls zur sich beschleunigenden Ausbreitung kam – etwas da war, an das neue User anknüpfen konnten. Es gab Kultur, Material, funktionierende Praktiken und eine gutgelaunte Community. Als neuer Gast fand man sich durch Zufall auf einer unerwartet coolen Party ein (bevor die social media crowd draus ein saufgelage am ballermann macht, anders als ‘geplante’ erfolge wie alles von google, wo man sich eher wie der zehnte besucher in einem ansonsten leeren stadion fühlt; das ist auch der grund, warum google nix soziales machen kann; bei ihnen gibt es nichts, was zwischen der steppe und der horde liegen kann).
Ein glückliches Timing ist zwar wichtig (wir sehen ja immer wieder: ein und die gleiche idee kann zwei oder zehn jahre zu früh kommen; eine welt, in der jeder ein iphone hat und bei facebook und tumblr ist und in der man den sinn von twitter nicht mehr erklären muss ist eine andere als eine welt davor; usw. siehe Timing oder Timing II), aber nur wegen der schon existierenden Community konnte Pinterest die durch den Hype und Metahype (wie damals bei twitter) ausgelöste Kraftwelle in echte neue Benutzer konvertieren, die die Welle dann verstärken.
Postinventory X
kleiner autodokumentarischer Nachtrag zu Postinventory – ich hab jetzt, leicht angeregt von wirres, auch mal die Blogs durchgekehrt und das offensichtlichste Gerümpel entfernt und wahrscheinlich ohne dass man das sieht ca. ein Drittel der Features und esoterischeren Sektionen gekillt, what was I thinking?, jedenfalls gibt’s noch einiges zu tun, oder auch nicht. Das Ding, wenn man mal so einen gewissen Korpus an Material hat, ist, dass es auf der einen Seite extrem schwierig wird, irgendwas grundsätzlich zu ändern – 25.000 Einträge mal sauber durchtaggen und neu kategorisieren, mit teaser text und repräsentativen Artikelbildern in zwei Größen, viel Spaß – (deshalb eben wohl auch eher das patchworkartige anbauen, was zwar auch seinen charme hat, aber auch seine probleme), andererseits lassen sich aber halt auch Verbindungen, Kanäle und Querverweise herstellen und teilweise nette Serien ableiten, wenn man ein bisschen Arbeit investiert. Das drängt jetzt aber nicht.
Googleheimer
Achtung: Rant below; aber mich nervt Google in letzter Zeit so systematisch, dass das einmal psychohygienisch raus muss.
Der erste Megatrend 2012 ist eindeutig das Dissen von Google. Dieses hat nicht nur quantitativ zugenommen, auch die Qualität der Kritik hat sich genuin verschoben – und das Suchen von Alternativen wurde zu einem beliebten Hobby. Kritik an Google gab es natürlich schon immer, aber sie war üblicherweise eher leichtgewichtig und hat sich an kleineren Fragen (Datenschutz, sind sie vielleicht doch böse, haben sie vielleicht nur ihre eigenen wirtschaftlichen Interessen im Sinn, fehlt ihnen die soziale DNA, …) abgearbeitet. Die Fragen sind zwar an der Oberfläche die gleichen geblieben, aber mir scheint, dass sich darunter in letzter Zeit die für Google wesentlich fatalere Frage verbirgt, ob Google nicht in Wirklichkeit eine gewaltige Dumpfbacke ist.
Der Vollständigkeit halber sei dazugesagt, dass Google noch immer die wichtigste Firma im Web ist; sie sind finanziell erfolgreich; sie haben noch immer eine Reihe von unübetroffenen Qualitäten und Kompetenzen; sie offerieren uns noch immer einige geniale lebens- und weltverbessernde Produkte; Google ist auch noch immer das einzige Unternehmen, das sich an gewisse unmögliche Dinge wagt (natürlich auch, weil sie sich das halt leisten können, aber sie müssten ja nicht); Google hat das moderne Web wie wir es kennen mehr oder weniger katalysiert und in dieser Form möglich gemacht; und sie versuchen wohl auch – by and large – das Richtige zu tun.
Having said that verdecken diese ihre Qualitäten und Erfolge aber auch eine Demenz, die sich langsam aber sicher ausbreitet und die Google entdecken sollte, bevor es zu spät ist. Die Menschen beginnen sie nämlich zu spüren, deshalb auch diese neue Qualität der Kritik.
Bei der Beurteilung des Geisteszustands von Google müssen wir uns natürlich auf das Sammeln und Interpretieren von Hinweisen und Symptomen beschränken. Isoliert betrachtet sind viele der Hinweise nicht besonders signifikant. Und auch eindeutige Hinweise auf signifikante Probleme sind nicht immer auf Google als solches verallgemeinbar, weil Google mitunter in Zellen organisiert ist und eine faule Zelle nicht notwendigerweise mit einer Faulheit des gesamten Systems Google korreliert. Gleichzeitig können aber auch genau die kleinen Symptome – die freudschen Vergoogler – den Zustand des gesamten Systems besser beschreiben, als die offiziellen Darstellungen oder die inoffizielle offizielle Selbstwahrnehmung.
Die Liste mit ganz konkreten Fehlern, Flops und Fails ist lang. Einige Fehlergruppen: übernommene oder selbst entwickelte Produkte, die dann gekillt wurden (Jaiku, Knol, Aardvark, Dodgeball, Slide, Google Wave, Google Buzz, Google Bookmarks, Google Notebook, Google Health, Google Video, Google Lively, Google Answers, uswusf.); übernommene oder selbst entwickelte Produkte, die mehr schlecht als recht dahinvegetieren (Orkut, Chromebooks, Google Music, Google TV, Google Books, Chrome Store, usw.); das systematische Verschlechtern von guten Produkten (Beschneiden von Features, die nützlich waren; Aufblähen mit unnötigen Features; Verschlimmbesserungen im Design; Einführen von Beschränkungen; …);
Dazu kommt eine wirklich lange Reihe von gekillten kleineren Produkten aus der Labs-Serie und von gekillten kleineren Features. Bei vielen muss man da sagen: ok, das waren Experimente, die auch als solches deklariert waren, da geht auch manches schief, wird von den Usern nicht angenommen, verursacht zu viel Aufwand, etc. Aber es waren auch coole Dinge dabei, um die es schade ist und wo man sich doch wundern muss. Wer, wenn nicht Google, könnte sich auch Spielereien leisten?
Und es gibt eine Palette von mehr oder weniger indirekten Hinweisen dafür, dass etwas kracht: es gibt eine lange Liste von guten angeheuerten Leuten, die es nicht lange bei Google ausgehalten haben; das immer häufigere Auftreten als Politiker; die Zunahme von Lobbyismus; das Starten von Think Tanks; das Schalten von Werbung (omg), usw.
Aber bis vor kurzem hat das unser Verhältnis zu Google nicht wesentlich beschädigt, weil sie ein Phantasma aufrecht erhalten konnten: unseren Glauben an ihr Wissen. Viele Flops sind leicht zu erklären – hey, wir experimentieren halt viel herum -, aber auch die wirtschaftliche, politische oder charakterliche Kritik, ob im konkreten Fall berechtigt oder nicht, war unterm Strich egal, solange Google das Subjekt blieb, dem unser Wissen unterstellt werden konnte, weil ihr Kern – die Suche – intakt blieb.
Subject supposed to know
Im Gegensatz zu Facebook oder Twitter, besteht der eigentliche Wert von Google im Glauben der Welt an die Genialität von Google. Wir gehen zu Facebook oder Twitter, weil dort unsere Freunde Dinge posten. Aber wir gehen zu Google, weil wir glauben, dass sie wissen. Google war das paradigmatische lacansche subject supposed to know. Es war eine Black Box, die man Beliebiges fragen konnte, und die ohne grössere Umwege die richtigen Antwort lieferte. Auch wenn nicht immer alle Ergebnisse ‘richtig’ waren, sie waren noch immer richtiger als bei allen Anderen, und ein, zwei Verfeinerungen weiter hat man das Gewünschte gefunden.
Facebook oder Twitter andererseits mussten nie als ‘wissend’ angesehen werden, weil allen Usern auf Facebook oder Twitter klar ist, dass sie selbst diejenigen sind, die alles machen; Facebook variiert zwar ein bisschen, was im Hauptstrom zu sehen ist und was nicht, aber im Großen und Ganzen helfen sich die Leute selbst.
Mit Google+ und der Sozialisierung der Suchergebnisse macht sich Google nun nicht nur angreifbar, sie zersetzen die Ordnung des Imaginären selbst. Wenn sie neben dem Suchergebnis anmerken ‘weil der Autor 15.000 Follower auf G+ hat’ oder ‘weil das der und der Kontakt geshared haben’ schreiben, ich aber weiß, dass derjenige vom jeweiligen Thema keine Ahnung hat und besser nicht als Hauptreferenz zitiert werden sollte, und wenn das Ergebnis dann auch noch nicht gut ist, oder wenn Google Vermutungen über das, was ich wohl meine, in die Suchergebnisse hineinfakturiert und mir deshalb falsche Antworten auf Fragen liefert, die ich gar nicht hatte, dann bringen sie das Konzept ihrer eigenen Dummheit selbst auf den Tisch. Indem Google in der Suche das ehemalig Implizite explizit macht, macht es sich selbst kritisierbar, wenn die Interpretation nicht funktioniert. Und dann liegt auch der Schluss nahe, dass Google auch ansonsten nicht so besonders schlau ist.
(die neuen sozialen, lokalen, etc. signale sind ja vl. als signal unter anderen gar nicht schlecht, oder nicht schlechter als altmodische dinge wie pagerank; 20.000 circler sind wohl tatsächlich schwerer zu simulieren als der standard SEO shit, der dann auch kompetenz simulieren will. aber vorgeführt zu bekommen, welche bedeutung ihnen google plötzlich zuschreibt oder welche falsche wertigkeit google plötzlich unterstellt, ist irritierend, und gegen falsche grundannahmen ankämpfen zu müssen ist ärgerlich. es gibt wenig, was mich in letzter zeit mehr frustriert hat, als ihr ungefragtes anzeigen der ergebnisse vom ‘did you mean’ suchbegriff. liebes google: I did not.)
Wenn sie glauben, sie wissen besser was ich will, als ich selbst, aber sie lösen das nicht ein, dann wirken sie dumm.
Es gibt wohl eine Reihe von systemischen Problemfeldern, die für die zunehmende Tollpatschigkeit von Google verantwortlich sind. Hier die Top 7:
Selbstüberschätzung
Ich glaube die Selbstüberschätzung ist der zentrale Grund, warum Google so viel Mist macht. Es ist wohl nicht verwunderlich, dass sie von sich selbst viel halten. Aber Google hatte das notwendige Glück, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein und das Richtige zu tun. Die damalige Welt war bevölkert von Sauropoden, die sich primär für das Melken von Eyeballs interessierten. Google hat sie mit einer radikalen Ausrichtung am Kundennutzen ausgerottet, ihr Motto ‘don’t be evil’ war in diesem Kontext disruptiv.
Das bedeutet aber nicht, dass sie zu allen anderen Zeitpunkten und an allen anderen Orten auch das Richtige tun können. Die von ihnen gefundene Lizenz zum Gelddrucken verdeckt in der Tat eher ihre Unfähigkeiten zu späteren Zeitpunkten. Ihr Problem: Ihr gesamtes auf ‘Genialität’ und C-Code debuggende PhDs ausgerichtetes Mitarbeitergebilde und ihre ausschliesslich auf Messbarkeit basierten Entscheidungsprozesse lassen für sie keine andere Denkbarkeit zu.
Mit der Selbstüberschätzung verbunden ist eine partielle Realitätsverleugnung, die es ihnen verunmöglicht, einige Dinge realistisch zu sehen oder zu beurteilen. Die Tatsache, dass es ein soziales Web gibt und dass dieses soziale Web einen anderen König gewählt hat, haben sie jahrelang tatsächlich ausgeblendet, ähnlich wie Steve Ballmer jahrelang Apple ausgeblendet hat.
Aber auch die Möglichkeit, dass sie sich mit einer Einschätzung mal völlig irren können, kommt ihnen nicht so wirklich in den Sinn. Wenn sie aus der langen Geschichte ihrer Flops eines gelernt haben sollten, dann das. Aber nein, klappt was nicht, wird aktuell einfach die Zeitachse verschoben, die neue Trope (bei den Chrome Books, bei Google TV, bei Google+, etc.) lautet: wartet nur 6 Monate, dann seht ihr, wohin wir wollen. Ihr wisst nicht alles, was wir wissen. Wir haben einen Plan.
Die Selbstüberschätzung führt in letzter Zeit auch immer öfter zu einer Geste des our way or the highway – eine Krankheit, die sie u.a. mit Apple teilen. Aber während Apple dann häufig eine wirklich magische Erfahrung abliefert, wartet Google dann meistens mit Prototypen im Stile von Homer Simpson auf.
Lack of Leadership
It’s about caring enough to make an effort. If we define good enough sufficiently low, we’ll probably meet our standards. Caring involves raising that bar to the point where the team has to stretch.
Der Mangel an Führung äussert sich bei Google zumindest auf zwei Ebenen:
die erste ist projektbezogen. Es scheint viele Projekte zu geben, die einfach niemanden haben, der die Rolle des Gründers ausfüllt und das Projekt gegen widrige Umstände verteidigt. Zumindest nach der ersten Staffelübergabe fehlen alle Prozesse oder Mechanismen, um Projekte in der gebotenen Intensität weiterzuführen.
Und Google hat wohl auch ein Problem an der Spitze. Das ist zwar sehr spekulativ und basiert auf den Videos einiger Auftritte oder Gesprächsrunden mit Larry Page, aber mich dünkt, die Kommunikation geht eher in Richtung eines Titoismus, bei dem nach oben immer nur die gefälschten Erfolgszahlen durchgereicht werden. Man denke an die hochgepimpten Zahlen für Google+, die eher an die Erfüllung eines Fünfjahresplans erinnern.
(ich weiss nicht, ob larry page oder eric schmidt wissen, wie dünn und konzeptionell daneben G+ im vergleich zu facebook wirklich ist, beide haben wohl keinen der dienste wirklich benutzt; vielleicht wissen sie es ja auch und demonstrieren zweckoptimismus. aber so gute schauspieler sind sie glaub ich nicht.)
Mangel an Geschmack
Wenn Google was noch weniger kann als sozial, dann ist es Design. Es ist ihr Glück, dass der auf Speed fokussierte Minimalismus ihnen entgegen gekommen ist, weil man da einfach weniger falsch machen kann, aber das Design ist üblicherweise auf allen Ebenen (vom Layout bis zum sozialen Design) eine Katastrophe. Und schlimmer: es ist ihnen nicht bewusst, dass es eine Katastrophe ist. Bzw. noch schlimmer, die Katastrophe ist rekursiv: es ist ihnen ja bewusst, siehe das aktuelle globale Redesign, nur bleibt es ja auch unter der Bedingung der Katastrophenbewußtheit eine Katastrophe, und diese second order Katastrophe wird als solche wieder nicht erkannt. Geschmack kommt in ihrem Referenzsystem halt einfach nicht vor. Aber Geschmack wird immer wichtiger, weil Apple die Latte höher und höher hängt und das iPad und die iPad-Apps den Rest erledigen.
Trägheit
Wie langsam und träge der ganze Apparat Google mittlerweile geworden ist, sieht man etwa an der Pseudonymdebatte. Sie haben nicht weniger als 7 Monate gebraucht, um Pseudonyme – also doch ein Kampfthema – auf Google+ – also doch ihr aktuelles Kernprodukt – so irgendwie und immer noch unausgegoren zu unterstützen.
(immerhin verstehe ich jetzt die Motivation für ihr Pseudonymitätsverbot; ihr search plus your world SPYW Dings braucht soziale Richtigkeit, sonst funktioniert es nicht, weil man sonst eben diese aleatorischen Ergebnisse bekommt. Nur wirft das natürlich wieder die fundamentalere Frage nach ihrer Urteilskraft auf, weil sie wissen müssten, dass das Web so nicht funktioniert.)
Neid und Gier
Google ist überall dort gut, wo sie ihre ursprüngliche Mission verfolgen – das Wissen aufzubereiten und universell zugänglich zu machen. Die ersten Jahre haben sie sich auch darauf beschränkt.
Irgendwann haben sie aber damit begonnen, sich an anderen Firmen zu orientieren, die andere Wege gefunden haben, im Web Geld zu machen. Und auch wenn das dann mit ihrer Mission nichts zu tun hatte, wollten sie das dann auch haben. Was folgte ist eine lange Liste an Me-Too-Produkten, Flops und Facepalms (Twitter – Jaiku, Wikipedia – Knol, Yahoo Answers – Google Answers, iTunes – Google Music, Amazon – Google Books, Groupon – DailyDeal, Facebook – Google+, etc.).
Ein paar versuchte Klone, Schwamm drüber. Was aber bedenklich ist, ist die offensichtliche prozessuale Lernunfähigkeit von Google. Als hätten sie eine Zwangsstörung machen sie den gleichen Fehler immer wieder.
Damit komplementär verbunden ist auch eine fast schon skurrile Blindheit für das, was die oft offensichtlichen und für sie viel sinnvolleren Optionen oder Möglichkeiten betrifft. Nur ein Beispiel: Google Mini-Me
(übrigens nix gegen ihre diversifikation, aber sie sollte schlauer und weniger fatalistisch betrieben werden, sie sind ja oft bereit ein paar milliarden zu versenken, ab einem grenzwert ist es dann ja auch schon wieder egal usw.)
Infantilität
Gelegentlich blitzt auf, wie infantil Google im Kern eigentlich ist. Man hat das lange nicht gesehen, weil sie davor mit grundsätzlicheren Problemen beschäftigt waren.
Auch hier beginnt es mit der Verwässerung ihrer Mission, aus ‘die Informationen der Welt zugänglich und nützlich zu machen’ wird immer öfter der feuchte Traum eines Nerds: Der Computer soll mir das Denken abnehmen und das Leben vorhersagen. Was in den 60er Jahren die automatisierten Haushaltsroboter waren, ist seit 2010 die infantile KI von Google.
(Was mich hier stört ist nicht die KI / das ML, das ist superinteressant und birgt enormes Potential – vor allem für Google, die könnten ja aus dem vollen schöpfen -, sondern die von Google anvisierten Use Cases.)
Ein anderes Beispiel für die Infantilität sind die Gimmicks, die sich immer wieder einschleichen, etwa der Effekt beim Löschen eines Circles. Bei der Demo ist es cute und beim ersten Mal ist es lustig, dann wünscht man sich aber, dass sie doch mehr Energie ins allgemeine Handling der Circles gelegt hätten (das defacto unbrauchbar ist, was natürlich isoliert betrachtet Wurst, aber wegen der Bedeutung von Google+ für Google ein Irrsinn ist).
Ein weiteres Beispiel ist ihr ‘das kann ich auch’ Reflex; Google, ich glaub dir, dass du wie Bing das Hintergrundbild ändern kannst. Du musst das nicht am nächsten Tag in einer Hauruckaktion beweisen.
Oder auch die Catfights mit Facebook, siehe etwa reciprocity oder city of glass
Degeekification
Für mich persönlich eine der grössten Enttäuschungen ist, dass Google immer mehr auf die Geeks scheißt und Features nach rein buchhalterischen Kriterien bewertet.
Beispiel Offenheit: ja, da sind wir die allergrössten Fans von. Aber selbst sind wir nur dort offen, wo es uns passt. Ich mokiere hier gar nicht, dass sie die Kernalgorithmen nicht offenlegen oder einige Datenbanken nicht zum vollständigen Absaugen öffnen. Aber sie sind bei einer ganzen Reihe von Dingen nicht offen, bei denen sie es ohne Probleme für sich und mit Nutzen für andere sein könnten; sie offerieren fast nirgends RSS Feeds. Sie haben teilweise groteske Limits bei kleineren APIs. usw.
Beispiel Geekheit: mit dem internen und externen Geek Appeal schmücken sie sich ja gerne. Aber dann entfernen sie aus ihren Produkten genau die Features, die für Geeks interessant wären. Das ist doch traurig, weil man gerade von Google wie bei den Labs-Experimenten erhoffen könnte, dass sie sich auch Dinge, die halt nicht jeder verwendet, die aber die Spezialisten sehr schätzen, wertschätzen und kultivieren.
Nur am Rande gesagt: das Kultivieren von Features, die Geeks mögen, macht auch – gerade für Google – geschäftlichen Sinn, weil die dortigen Aktivitäten oft erst durchsickern, nachdem sie eine Zeit lang gegärt haben, die später aber das Salz in der Suppe werden, die Gesamtqualität erhöhen, die ein Indikator für Trends sind, der dann ein paar Jahre später der Mainstream wird, etc., aber das wäre Thema für einen eigenen Rant.
Postinventory
kleiner Nachtrag zu Inventory Requirements Specification : das Inventarisieren der Daten war dann weniger Aufwand als vermutet, da hat die Nullpunktserie (siehe) dann doch noch nachgewirkt; wie beim Zeugs wird zwar die drinsteckende Arbeit teilweise erst beim Hineinzommen sichtbar, aber wie beim Clutter erhöht sich die Qualität der Projekte (lernprojekte, leseprojekte, hörprojekte, schauprojekte, vervollständigungsprojekte, tagisierungsprojekte, data improvement projekte, programmierprojekte, usw.) spürbar und auch hier ist dieses Gefühl ok, das ist es doch angenehm.
(ein wahnsinn war diese selbstfragmentierung und -auflösung auf webdiensten; ich hab mich über die jahre bei mehr als 2000 seiten angemeldet und zumindest 200 dann auch zumindest eine zeit lang mit zumindest ein bisschen regelmässigkeit befüllt, und ich liebe sie wirklich alle, aber irgendwie muss ich da wirklich mal nen schlussstrich ziehen. das bedeutet nicht die abstinenz, aber das ziehen einer deutlichen grenze zwischen diensten die ich in die persönliche narration einbaue [workflow tbd] und dem explorativen rest)
Man könnte natürlich eine ganze Palette von wichtigen Differenzen zum Handling von Daten einführen (ist es für die persönliche narration relevant oder nicht; steckt ein actionable item drin oder nicht; hat es referenzwert oder nicht; ist es sozial oder nicht; etc.), mit zweien deckt man aber schon viel ab:
- ist es privat oder nicht
- muss es archiviert werden oder nicht
Beide kann man für ein- und ausgehende Daten durchdenken, und man erspart sich schon mal viel (Nachdenken oder Aufwand), wenn es nicht privat ist oder wenn es nicht archiviert werden muss – also Verbrauchskommunikation ist, oder weil es öffentlich ist ohnehin jederzeit nachgeladen werden kann, etc. (für alle, die facebook benutzen, ist es genau andersrum, dann erspart man sich das nachdenken, wenn es privat ist).
(insgesamt ist bei allem, was mit daten und infoströmen zu tun hat, das ziehen von grenzen viel wichtiger als eine etwaige reduktion oder minimalismus; wenn konzeptionell klar ist, was was wo und wie ist (was ja nur ein technisches subset von gtd ist), dann ist schon das meiste gewonnen.)
Wundermichkit
Eher devoha aber auch, um meine eigene Beurteilskraft zu testen: Die 6Wunderkinder haben jetzt ihr Wunderkit lanciert. Bin ich der einzige, der sich denkt hmm, kratz ? Über den Launch wurde auf breiter Front und durchgängig wohlwollend berichtet, die Zutaten stimmten natürlich (Seed-Finanzierung und $4.2M Runde noch vor dem Start, Auskoppelung Wunderlist ein Hit mit mehr als einer Million Usern, aus Berlin!, usw.) und die Seite ist (design-) technisch für deutsche Verhältnisse herausragend – aber die Idee von sozialer Produktivität ist ein klassisches Oxymoron, das kann eigentlich nicht gut gehen.
(ich finds ja grundsätzlich nicht schlecht, den komplex produktivität neu zu überdenken; aber bei wunderkit seh ich deutlich mehr probleme als durch das wunderkit offerierte neue möglichkeiten; dinge zu tun / widgets zu cranken ((c) david allen) ist per definitionem einsam; und auch der bereich kollaboration ist nicht eigentlich sozial, auch wenn mehrere daran beteiligt sind, sondern eher ein mechanismus der produktivitätssteigerung durch komplexitätsreduktion, wobei der jeweilige prozess die organisationstechnischen transaktionskosten zu minimieren versucht. und je nach vorgabe und komplexitätsgrad haben sich da tools und methoden mit gewisser effizienz etabliert (lose flottierende aber strukturierte koordinationskommunikation via yammer oder campfire oder auch skype, systematische taskskoordination via basecamp, etctrara); und es gibt probleme, die eine art verteilte und sich mehr oder weniger organisch formierende workforce erfordern (etwa open source projekte), aber auch die sind nicht eigentlich sozial und haben andererseits eine reihe von kommunikativen und technischen strukturen entwickelt, die wesentlich effizienter und effektiver sind (IRC, Bugtracker, Versionskontrollsysteme, etc.). ich fürchte auch, dass das wunderkit auf den ersten blick ganz nett ausschaut, aber nicht wirklich gut skaliert und schnell eine fürchterliche mess wird. was wiederum benutzungstechnische selbstdisziplin erfordert, die natürlich niemand hat. ich vermute also stark, dass die wunderlist ihr grosser hit bleiben wird.)
tl;dr: Wunderkit ist ein wunderhübsches Produktivitäts- und Prokrastinationstool für die Generation ADHD.
Leftovers 2011 (Sharecropping Edition)
(auch nicht wirklich weitergekommen bin ich bei meinem setup / meinen workflows zum sharen und so. wie man’s macht, ist’s falsch. shared man stuff nur woanders, dann hat man es nicht im blog. shared man stuff nur auf dem blog, dann hat man es zwar selbst, aber ist es dann geshared oder ist das nicht eher eine zumutung? shared man stuff woanders und crosssyndiziert man es im blog, dann hat man doppelten aufwand und es ist auch doppelt gemoppelt. shared man stuff im blog und crosssyndiziert es woanders, dann spammt man. usw.)
Leftovers 2011 (Composition Edition)
(auch nicht wirklich weitergekommen bin ich bei meinem setup / meinen workflows zur erstellung von texten und so. die grosse krise – ‘oh gott, irgendwie passt das alles ja so überhaupt nicht mehr zusammen’ – hatte ich zwar schon 2010, aber seither verschleppt, und das ipad hat das gefühl der unzeitgemässheit doch noch verstärkt. mein fehler war/ist, dass ich da ein bisschen die falschen dinge optimiert hab (i.e. versuch der radikalen redundanzminimierung, gleichzeitige verfügbarkeit auf imac, ipad und android). im gebrauch ist es jedoch eher so, dass man nicht nicht alles überall braucht, dass man vor allem nicht überall schreibzugriff braucht, dass besonders das ipad ein wenig formatierungsaufwand – text in epub oder ihr neues ibooks format konvertieren – ja mit einem lesetechnischen hochgenuss belohnt, usw.)
Leftovers 2011 (Clueless Edition)
Auch nicht (siehe die filter oder die non sequiturs) wirklich weitergekommen sind wir bei der Bewusstmachung von den Dingen, die wir nicht wissen. Das Dilemma ist natürlich selbstevident: Man weiß halt nicht, was man nicht weiß; das eigene Nichtwissen ist ein Ding der Unvorstellbarkeit.
(und abgeleitet: man weiß halt nicht, was man nicht kann, was man aber leicht können könnte, wie nützlich das ggf. leicht könnbare wäre, was es nicht alles gibt, etc; das ist natürlich ein grundsätzliches epistemologisches dilemma und im allgemeinen sowohl notwendig als auch egal; aber es ist doch interessant, dass sich im web nicht bessere mechanismen herausgebildet haben, sich gegenseitig jenseits eines sich antrollens darauf hinzuweisen etc. ich jedenfalls habe regelmässig facepalm momente, wenn ich über irgendwas stolpere, was es oft schon jahrelang gibt und was auch wirklich leicht zu sehen gewesen wäre, was ich aber einfach ausgeblendet hatte)
Pinnwand.me
ich hab’s mir nicht leicht gemacht (siehe, oder, oder, oder, oder, oder), aber heute bin ich nach über 7 Jahren von delicious zu pinboard als primäres Kurzzeitgedächtnis gewechselt.
(ich hab die interventionen der avos guys ja mit mehr wohlwollen als die meisten anderen old schooler betrachtet, der zug für das volle potential vom alten delicious war schon lange davor abgefahren, mit der neuen kosmetik hätte ich wohl leben können, aber die performanz beim bookmarken blieb einfach zu lange im indiskutablen bereich, es waren ja keine häufigen aussetzer wie damals bei twitter, es war und ist der normalzustand, was wiederum darauf hindeutet, dass das dort keiner selbst verwendet usw.; trotzdem würde ich zumindest die nächste zeit meine bookmarks von pinboard zurück zu delicious spiegeln, falls also so ein script bekannt ist, bitte sagen)
((was avos tun hätte sollen: delicious als dropbox für bookmarks zu reetablieren; ein rocksolides backend und eine hochperformante API, mehr hätte es nicht gebraucht; auf der webseite hätten sie sich austoben können, für die traditionalisten hätten sie ja das alte interface als option behalten können, für die geeks hätten sie scripts zum diy von interfaces bereitstellen können; und mit ein wenig zucker für entwickler und geduld hätten sie vl. den delicious button überall dorthin gebracht, wo jetzt send to twitter oder instapaper lauert, und zwar als universeller schaltkreis im strom, wofür es sich aufgrund der offenen struktur ja seit jahren aufdrängt, das hat ja nur yahoo versemmelt))
Leftovers 2011 (Logical Fallacy Edition)
Auch nicht (siehe die Filter) wirklich weitergekommen sind wir bei der logischen Konsistenz von Aussagen (bzw. aussageverkettungen).
(das tangiert jetzt natürlich nicht nur aussagen über das web, aber hier ist und bleibt es doch besonders schlimm; es gibt ja kaum einen text, der länger als 3 absätze ist, in dem kein non sequitur, keine willkürliche vermischung der ebenen oder logischen klassen oder ähnliches steckt etc.)
Leftovers 2011 (Filter Edition)
Ein Ding wo wir heuer leider kein Jota weitergekommen sind, sind die Filter. Ich verstehe nicht, warum es nicht zumindest für die ganzen Standard-Inputströme – also Twitter, Google+, RSS usw. – dedizierte Clients gibt, die die offensichtlichsten Filter – und ich meine jetzt explizite, in ihrer Funktion transparente, von mir nach bestimmten Kriterien programmierbare Filter und nicht dieses ominöse wir-zeigen-dir-nur-das-beste Voodoo – implementieren.