Leftovers 2022 (Agency Edition)
auch nicht weitergekommen sind wir 2022 jedenfalls dabei, neben einer (immer berechtigten) kritik an den umständen und plattformen, gleichzeitig einen (oft durchaus möglichen) gegenentwurf im inneren der umstände und plattformen zu formulieren.
ein bisschen spitzer formuliert: mir ist keine einzige netzpolitische kritik oder open/indie/dezentral/crypto-reinterpretation bekannt, die zumindest auch die aktuell gegebenen möglichkeiten einer individuellen agency innerhalb eines hegemonial strukturierten feldes zumindest erwähnt.
(dass keine einzige (im sinne von im promillebereich nicht messbar) massenmediale publikation in zehntausenden artikeln zur privatsphärengefahr und surveillance-kapitalistischen datensammelwut von apps die möglichkeit beschreibt, dass man cookies halt schon auch selbst löschen kann, oder dass es einen private-mode gibt, bei dem alle cookies von selbst gelöscht werden, oder dass man mehrere browser für mehrere dinge verwenden kann etctrara, das kann ich sogar verstehen, die wollen natürlich die leserschaft monetarisieren und nicht emanzipieren usw., aber tbh, auch im gesamten netzpolitischen diskurs (und den organen wie netzpolitik, techdirt, oder dem oeuvre von cory doctorow) sucht man eigentlich lange. ich bin mir nicht sicher ob es eine unverschämte unterstellung ist, hier eine variation vom shirky prinzip zu vermuten (critics will try to preserve the problem to which they provide the criticism), aber es gibt zumindest zwei grobe probleme:
- zum einen bleiben sie selbst im gleichen narrativ und dem gleichen plateau, das sie eigentlich bekämpfen u/o verändern u/o transzendieren wollen. via mspro lief mir gestern dieser eigentlich sehr supere thread von cory doctorow durch die TL (gibts auch im rebundle). aber während er die beteiligten ökonomien luzide beschreibt, so liest sich das ganze genauso gut als handbuch, das sich dann auf jeder ableitungsebene wiederholen lässt oder aber auf den offenen/dezentralen/föderalen alternative wiederholt wird, mit dem user immer als unterworfenem unter dem strom. in meinem slice der webkritik vermisse ich seit mindestens 10 jahren den bruch im narrativ, der einen hauch utopie zumindest erahnen lässt und nicht das gleiche dann halt im gegenteil wiederholt, think kroker (mit dystopischem pretext) in den 90ern oder bubblegen (mit hyperaffirmativem) in den nullern.
- zum anderen übersehen sie jede form von agency im bestehenden milieu. das nur kurz konstatiert, weil das thema viele mausefallen hat, die man immer zuerst entschärfen/kontextualisieren müsste, aber nur als beispiel neben den oben erwähnten cookies hat zb cory ein paar doch naheliegende aspekte nicht erwähnt: (a) man kann auch innerhalb einer struktur mit den mitteln der struktur gegen die machtverhältnisse arbeiten (subkulturen haben das mehr oder weniger immer schon getan resp. mussten das tun, oft entstand aber gerade dudurch ihre kraft; das sentiment unserer zeit ist aber natürlich, dass die dinge ihre explizite form suchen). (b) twitter zb ist auch as is mehr oder weniger vollständig selbstkontrolliert. wenn man ein bisschen programmieren kann, kann man mit der API eig. machen, was man will (ich hab mich mit twitter recht viel herumgespielt, die gute nachricht, viel bringts eh nicht). aber das kann halt nicht jede, aber es wird halt auch nie erwähnt oder erklärt. (ç) niemand darf nur eine einzige plattform verwenden (und ist der dominanten also ausgeliefert, wenn man mit anderen kommunizieren will), niemand muss sich zwischen der hegemonialen und der dezentralen entscheiden und alles andere aufgeben, man kann sich sein eigenes bündel zusammenstellen wie man will, man kann auch zwischen den plattformen flottieren.
(zum glück ist das eh alles egal usw.)
kommentare
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