Captain Koons
endlich wieder einmal ein Quiz: Was kann man von Pulp Fiction über die Apple Watch lernen?
ich bin euch ja noch die auflösung von quiz pt. 96 schuldig und die verbirgt sich in der frage, wie der film wohl geworden wäre, wenn der vater von butch coolidge statt seiner goldenen uhr eine apple watch edition getragen hätte, aber first things first:
nach der vorstellung der watch im september konnte man ja sehen, dass sie als ding die von apple erwartbare tollheit haben wird. smartwatches sind natürlich keine ganz neue kategorie, man denke an die pebble oder einiges im umfeld von android wear und michael knight hat schon in den 80ern eine gehabt. aber apple hat damit wohl den ersten sich als uhr verkleidenden minicomputer gebaut, an dem sich fortan alles andere messen lassen muss.
(smartwatches selbst haben imo mit ‘innovation’ ohnehin wenig zu tun, sie sind die offensichtliche extrapolation in einer serie an kleiner werdenden touchscreens als user interface für universelle mobile computation. sprich: auf die idee kommt jeder, die leistung besteht in der ‘exekution’, also dem design und der entwicklung/produktion und vor allem auch dem zusammenspiel von soft- und hardware und dem bereitstellen eines ökosystems für andere, und da ist apple natürlich in der einzigartigen situation den ganzen stack in der eigenen hand zu haben)
neben dieser dinghaften schlüssigkeit scheint mir aber auch der preis zu stimmen. mit $350 liegt sie in diesem mental als taschengeld abschreibbaren bereich von übers jahr betrachtet weniger als einem euro pro tag.
der preis ist deshalb bei der watch so wichtig (und wir kommen weiter unten nochmal darauf), weil apple selbst auch 6 monate nach der ersten vorstellung der watch noch überhaupt kein gespür dafür hat, für was sie wirklich gut sein wird.
ich frage mich wirklich, was apple im letzten halben jahr gemacht hat. fast alle von ihnen gezeigten beispiele sind noch immer im grunde nur störungen des menschen bei anwendungsfällen, die vom iphone – das man ohnehin eingesteckt haben muss, damit die uhr überhaupt funktioniert – wesentlich besser gelöst werden. sie betonen zwar die eigenschaft ‘most personal device’ als mantra immer und immer wieder, aber sie interpretieren sie zumindest derzeit nur als irritant.
zu apples glück tut das der attraktivität der watch deshalb keinen abbruch, weil es wegen dem preis eben rational ausreicht, wenn jeder für sich den einen usecase entdeckt, der einen einmal am tag kurz happy macht. für die watch also jedenfalls ein thumbs up.
aber all das konnte man sich auch schon nach der vorstellung im september denken, die einzige katze, die sie jetzt im jüngsten kick-off event aus dem sack gelassen haben, war das pricing für die watch edition. und die hat dann für etwas kognitive dissonanz gesorgt:
ich bin noch über niemanden gestolpert, der über die 10k jammert, aber über mehrere, die über vermeintliche jammerer prophylaktisch jammern.
— Markus Spath (@hackr) March 9, 2015
die diskussion war nicht unwitzig, weil sie eigentlich nur darin bestand, dass apple analysten/cheerleader dem säkularen rest unterstellt haben, dass sie über den preis sicherlich jammern werden, dass sie dabei aber überhaupt nicht verstehen, wie genial der schachzug von apple ist und was apple damit will und tut und kann und welche märkte apple damit erschliesst, think vogue not chip, usw.
Und jetzt kommt Ihr ins Spiel, die Ihr hämische, amüsierte oder neiderfüllte Scherze macht über die superteure, goldene Apple-Uhr, die nur Deppen kaufen. Wie jeder einzelne davon Apple glücklich macht!
sascha lobo etwa bleibt noch vergleichsweise pragmatisch und unterstreicht nur – iirc asymco folgend – die verkaufspsychologische these, dass teure dinge im direkten vergleich weniger teure dinge billiger erscheinen lassen, und dass sich deshalb die immer noch viel zu teuren watches neben den editions billig wie semmeln anfühlen und entsprechend verkaufen werden.
Wer sich eine 10k+-Uhr leisten kann, sieht den kommenden Wertverlust der Technik als Teil des Statussymbols.
marcel weiss andererseits verabschiedet sich gleich von jeglicher rationalität und sieht im zu erwartenden wertverlust selbst den eigentlichen sinn. auch er folgt iirc einer anderen einschätzung von asymco, dass sich nämlich die neureichen asiaten nur so darauf stürzen werden.
was die zwei und alle anderen positionen dazwischen, die den luxus-charakter der editions betonen und damit den preis erklären, aber nicht verstehen ist, dass es nicht der preis ist, der das zu erklärende ist.
dass es luxusgüter gibt, die hochwertig und mit edelsten materialien in handarbeit in abgeschotteten bergdörfern gefertigt werden, um dann unverschämt teuerer verkauft werden zu können, leuchtet jedem ein, auch denen die sich das dann nicht leisten können oder wollen.
das zu erklärende ist, wie es überhaupt dazu kommen konnte, dass apple eine solche nur außenrum luxuriöse uhr konzipiert und baut, wenn ganz offensichtlich ist, dass das technische herz ein stück technologie für $50 ist, das in eher 3 als 5 jahren völlig veraltet sein wird und dass man dann also auf einer uhr für $10.000 sitzt, die technisch und funktionell jeder nächsten generation an normalwatches für 350$ deutlich unterlegen sein wird.
und auch wenn man über die software selbst viel abstrahieren kann, dinge wie verbesserte akkulaufzeit oder chips für den aktuellsten übertragungsstandard oder unabhängigkeit von einem mitzuschleppenden mutterschiff iphone definieren doch mitunter radikale unterschiede in der nützlichkeit.
(ich könnte die editions ja noch irgendwie verstehen, wenn apple für sie eine eingeweidetechnische upgradeability offerieren und garantieren würde; alle zwei jahre bekommt man, wenn man will, für eine pauschale service-gebühr den aktuellsten und besten chip eingebaut, was kommt ist sicher nicht grösser und hätte bei standardisierter schnittstelle also locker platz. aber as is entsprechen die uhren spätestens in ein paar jahren bestenfalls vergoldeten minis, die aber von selbstfahrenden smarts in allen kategorien übertroffen werden)
um zb auf das argument von lobo zurückzukommen: der fehler in seiner analogie ist, dass es sich bei den watches nicht um rolexes handelt, die sich als swatches verkleiden, sondern dass es sich bei den editions um swatches handelt, die sich als rolex verkleiden.
was und finally, sorry, zu meiner antwort auf das quiz bringt: hätte butch’s vater im vietnamkrieg statt der goldenen uhr seines grossvaters eine apple watch edition getragen, er hätte sie wohl nicht in der gefangenschaft 5 jahre lang in seinem hintern versteckt, und spätestens captain koons hätte sie nicht weitere zwei jahre in seinem hintern versteckt und butch hätte sie also nie bekommen. er hätte sie dann also auch nie in seinem apartment vergessen und hätte also nie vincent dann dort beim holen der uhr erschossen und wäre also dann nie auf der flucht marsellus begegnet, was ja erst die seminale szene mit dem schwert getriggert hat, die butch dann ja im grunde gerettet hat, weil er seine schuld begleichen konnte usw.
und ich will jetzt nicht apple unterstellen, dass ihre watch am vermutlichen tod von butch in der alternativwelt schuld gewesen wäre. man kann aber lernen, dass wertschätzung immer auch ein element der narration benötigt. und die narration von luxus operiert natürlich auf einer trivialeren ebene als familiengeschichte, aber auch luxus ist keine reine funktion von preis oder exklusivität, sondern benötigt für die symbolische schliessung zumindest eine imaginierbare qualität als anker in der realität, und die ist, wie wir gesehen haben, bei der edition halt nicht gegeben.
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