Selection 2009
Rutsch
einen guten Rutsch ins neue Jahr!
Short Cuts Pt. 2 (Worthless Edition)
Über den (vor allem) Unsinn Rupert Murdochs Plan, seine Properties vor Google zu verstecken, wurde schon genug geschrieben, einen Punkt möchte ich aber dennoch erwähnen:
Zitat aus dem Telegraph
“The traffic which comes in from Google brings a consumer who more often than not read one article and then leaves the site. That is the least valuable of traffic to us… the economic impact [of not having content indexed by Google] is not as great as you might think. You can survive without it.”
Das mag so stimmen, die haben sicher gemessen usw., was er dabei aber völlig übersieht, ist, dass Kunden, die für einen selbst wertlos sind, für die Konkurrenz durchaus wertvoll sein können. Jeder nicht-Klick auf ein Angebot bei News Corp bedeutet per definionem einen Klick auf ein anderes Angebot.
Massenmedien haben im Web einen immensen Startvorteil. Sie nehmen ihre Reputation von aussen mit und können sie idealerweise ausbauen. Neue Anbieter beginnen bei Null, sie müssen sich ihre gesamte Reputation erarbeiten.
Paywalls führen einerseits zu einem sukzessiven Verlust der eigenen Reputation (ich würds mir anschauen, aber zahlen tu ich dafür nichts also schau ich mich woanders um) und zu einem Aufbau der Reputation anderer.
Was er auch nicht sieht, sind nicht direkt messbare Effekte. Einer der kommt und wieder geht, verschickt vl. die URL an Freunde, bloggt darüber, twittert darüber uswusf. Nicht-Sharebarkeit macht das Angebot auch für bezahlende User wertloser, weil sie es eben nicht sharen können.
(nicht unsympathisch ist übrigens das interview von zeit-geschäftsführer christian röpke mit meedia. er sucht zwar das heil in der preisstabilisierung von ads und nicht etwa in besseren sds, besseren formaten, aber er wirkt nicht unrefletkiert)
Standardsituationen
Netter Text zu den Standardsituationen der Technologiekritik [war http://www.online-merkur.de/seiten/lp200912adz.htm] von Kathrin Passig, eine Art Systematisierung der Reflexe auf Neues, zuletzt also auch auf iPhone, Twitter und Co (was natürlich auf twitter zu einem sturm an über sich selbst gerührten schulterklopfern führte; aber schaut als kleines weekend project mal nach, wann ihr aufgehört habt, twitter und hype in einem satz zu verwenden oder als dingsbums für early adopters abzutun).
(die auflistung von offensichtlichen dummheiten von anderen aus einer position des im nachhinein ist natürlich immer amüsant. was mich ein bisschen stört, ist der fokus auf die luddistischen neinsager, weil er impliziert, als hätte man es immer schon gewusst. für jeden neinsager gab es zu jedem zeitpunkt immer auch einen jasager, dessen utopien im nachhinein genauso lächerlich wirken. gerade im und um das internet lagen eigentlich alle schon immer falsch, man braucht nur an die metaphern und visionen von vor 15 jahren denken. niemand hat vor 10 jahren mit wikipedia, google oder blogs, vor fünf jahren mit facebook, youtube oder flickr, noch vor zweieinhalb jahren mit twitter und mit den damit einhergegangenen strukturveränderungen gerechnet, einfach auch deshalb, weil die meisten tools selbst reine zufälle waren, deren effekte noch nicht mal die gründer auch nur erahnten. facebook entstand, weil zuckerberg ein fauler hund war und aufgaben crowdsourcen wollte; flickr war ein abfallprodukt eines online-games; die wikipedia entstand, weil aus der eigentlich angedachten nupedia, die von experten geschrieben werden sollte, nix wurde; twitter war als sms-dienst unter freunden gedacht, den die user dann umfunktionalisiert haben und zu dem gemacht haben, was es ist. wir wissen alle nix und selbst wenn man mit einer aussage/prognose zufällig richtig liegt, dann eher deshalb, weil irgendeine aussage immer stimmt, und nicht weil man es wissen konnte.)
((was es glaub ich gibt, ist das verständnis von prinzipien, deshalb sind leute wie kevin kelly, umair haque, clay shirky, bruce sterling immer so spot-on; was uns normalsterblichen bleibt, ist die entwicklung eines mehr oder weniger feinen sensoriums für das wahrnehmen von wellen und strömungen im ozean, in dem wir alle treiben))
beckmann, jauch, schirrmacher
hab gestern, durch twitter aufgescheucht, ein paar minuten der beckmann, jauch, schirrmacher runde geschaut, die über die gefahren von computern und web für denken, bildung und volkswirtschaft sinnierten, und während es mit der beschreibung ‘ältere herren, die nichts raffen und die nicht raffen, dass sie es nicht raffen’ auch recht zutreffend beschrieben wäre, ist mir witzigerweise auch das erste mal in gewisser klarheit bewusst geworden, warum es die, die es nicht raffen, nicht raffen.
ganz pauschal gesagt sind viele dieser generation vom internet schlicht und einfach überfordert. nicht weil sie zu dumm oder zu begriffsstutzig sind, sondern weil es durch das internet einen exzess der kommunikation gibt, den sie nicht verarbeiten können, mit dem sie nichts anfangen können, den sie nicht einschätzen können.
der grund dafür ist, dass ihnen das organ fehlt, wichtiges von unwichtigem zu unterscheiden.
fast jedes vorgetragene beispiel lässt sich auf diese genuine nicht-unterscheidungsfähigkeit zurückführen, fast jedes vorgetragene problemszenario wäre keines mehr, würde man die unterscheidung treffen.
die kommen alle aus einer welt, in der alles wichtig ist bzw. in der es ein vorgefertigtes ordnungssystem für wichtiges gibt. wer jede email, jeden blogpost, jedes kommentar bei heise, jeden tweet gleich behandelt wie einen liebesbrief, eine rechnung oder einen leitartikel in der faz, der kommt im web nicht weit, weil die sicherungen nach 10 minuten durchbrennen.
das problem dabei ist, dass dann auch alle anschlussüberlegungen falsch sind, weil sie auf einer falschen prämisse basieren, und dass sie nie durch herumexperimentieren adäquat einschätzen können, für was das web gut ist und (fast noch wichtiger) für was nicht. das ist zunächst ein problem für den jeweiligen selbst, ein gesellschaftliches problem wird es allerdings, wenn das meinungsmacher oder politische einflüsterer sind, weil dadurch gesellschaftliche opportunitätskosten angehäuft werden, einerseits indem unfruchtbare praktiken weitergetragen werden, andererseits indem unfruchtbare strukturen etabliert werden. sie meinen es sicher gut, aber sie werden zu verhinderern.
(es gibt im web natürlich eine dialektik der unwichtigkeit, sprich: die grössten glücksgefühle entstehen im einen selbst überraschenden übergang von vermeintlich unwichtigem in persönlich wichtiges, vl. kann man auch lernen oder persönliche entwicklung dazu sagen, das unwichtige ist jedenfalls genauso wichtig wie das wichtige; aber die unterscheidung in wichtiges und unwichtiges muss als primäre unterscheidung zunächst einmal getroffen werden und das organ zur effizienten unterscheidungskraft muss in der folge ausgebildet werden, weil man sich nur dann nicht in dinge verzettelt und verbeisst, die eben unwichtig und also nicht verzettel- und verbeissenswert sind.)
Lists (Transformers Edition)
Hab mich, nachdem die API für die Twitter Lists jetzt dokumentiert ist, am Wochenende ein bisschen damit herumgespielt, und man kann doch einiges damit machen. Neben dem expliziten Layer (vor allem natürlich: Twitterer nach Themen sortieren) tun sich vor allem Möglichkeiten auf, einige implizite Schichten herauszuschälen bzw. zu organisieren.
Ich glaube zwar es ist wichtig, trotz aller listgegebenen Segmentierungsmöglichkeiten einen in sich intakten Hauptstrom zu behalten (sprich: nicht hunderten/tausenden zu folgen, um sie dann in listen abzuheften) – die Selektionskosten sind wertvoll, aber es gibt doch einige interessante (und am besten komplementär genossene) List-Paare. Etwa:
Filter nach Volumen
Alle Twitterer sind gleich, aber einige sind fleissiger als andere. Ich habs bei mir mal überflogen: 10% aller Tweeps (bei mir 20) erzeugen die Hälfte aller Tweets. Das ist bei anderen Accounts sicher nicht anders.
Diese Tweets können natürlich genauso super etc. sein, es stellt sich aber die Frage, ob man will, dass wenige den eigenen Strom dominieren, nur weil sie es halt tun. Immerhin verdrängen sie u.U. auch Tweets von denen, die weniger twittern.
Manchen fehlt das Gespür für einen Filter, manche sehen auch einfach nicht, dass Tweets neben dem Nutzen auch Rezeptionskosten verursachen. (Richtwert: mehr als 10.000 Tweets insgesamt, wer noch nicht lange dabei ist: mehr als 100 Tweets in der Woche).
Listen:
- volume-high für die Vieltwitterer
- volume-low für alle anderen
Filter nach Nähe
Alle Twitterer sind gleich, aber einige kennt man, oder man hat einen Bezug (liest seit Jahren das Blog etc.), und andere kennt man nicht.
Auch hier gibt es keine direkte Relation zur Superheit der Tweets (eher im gegenteil, lol), diese ergibt sich jedoch durch den Bezug. Anyway, man will eigentlich nicht, dass der Strom aller die Tweets der friends-and-relations verdrängt.
Listen:
- rabbits-friends-and-relations für die Bezugspersonen
- rabbits-wood für alle anderen
Filter nach Reziprozität
Alle Twitterer sind gleich, aber manchen folgt man, aber sie folgen einem nicht, und manche folgen einem, aber man folgt ihnen nicht, und manche folgen sich gegenseitig.
Listen:
- heroes für die, denen man folgt, die nicht zurückfolgen
- fans für die, die einem folgen, denen man nicht folgt
- reciprocal-affection für wechselseitiges Verfolge
Ich bin zwar kein Fan vom Auge ums Auge Prinzip (i.e. automatisches reziprokes unfollowen), aber es bietet sich doch an, die heroes Liste sauber zu halten, man sollte wissen warum man denen folgt. Wenn sie sie weder friends-and-relations sind, noch thematisch interessant, und dann auch noch high-volume, dann konsumieren sie Bandbreite, die man anders besser nützen könnte.
Und es bietet sich an, die reciprocal-fans Liste zu scannen, weil man Leute entdecken kann, deren Notification man verpasst hat. Wer einem folgt, muss ja eigentlich interessant sein.
Public Service Announcement
Ich habe Scripts für die Volume- und Reziprozitäts-Listen, kann sie also für beliebige Accounts generieren. Ping me, wenn ihr so eine Liste wollt.
Facebotter
The functional act of constructing a tweet or a status update is very similar. Produce text in roughly 140 characters or less inside a single line text box and click a button. Voila! Even the stream based ways in which the text gets consumed look awfully similar. Yet, the more I talk with people engaged in practices around Twitter and Facebook, the more I’m convinced these two things are not actually the same practice. Why? Audience.
danah boyd über die unterschiede zwischen twitter und facebook, auch über normen, kulturelle praktiken, usw.
stimmt schon alles irgendwie, und sie schält schön heraus, dass ein ding, auch wenn es von aussen gleich ausschaut, jeweils ganz was anderes sein kann, nur macht sie den gleichen fehler wie alle anderen, nämlich alles am mantra konversation mit der ausrichtung auf zuhörerschaft / audience aufzuhängen.
natürlich wird gebabbelt und natürlich gibts zuhörerschaften und natürlich wird jeweils unterschiedlich gebabbelt für jeweils unterschiedliche zuhörerschaften, aber der eigentliche unterschied liegt im grundsätzlichen gewebe von facebook resp. twitter, die beide völlig verschiedene motive der produktion, erwartungshaltungen an die rezeption und serien der anschlusskommunikation haben (privat vs. öffentlich; kommunikation unter freunden vs. information unter interessierten; reterritorialisierung auf dem ursprünglichen thread vs. deterritorialisierung via retweets und den 2000 twitterapps; etc.).
der grund, warum es so schwer zu sein scheint, diese beiden sphären auseinanderzuhalten und nicht konzeptionell zu vermischen, liegt glaub ich an oben erwähntem mantra der konversation bzw. audience. nicht nur rekonzipieren privatpersonen ihre freunde bei facebook als ‘audience’ auf die sie einfluss ausüben wollen, für die sie publishen wollen und anderen blödsinn (der übergang vom auf ein bier gehen zum social networken), auch facebook selbst rekonzipiert sich als twitter.
der twitterneid von facebook ist zwar verständlich – was soll denn das? da sind wir der 350 mio pfund schwere gorilla und dieser makake bekommt die ganze aufmerksamkeit? – aber facebook begibt sich auf ganz dünnes eis. im versuch die streams der user öffentlich zu machen, schaut her, auch bei uns wird ganz toll über produkte und gott und die welt geplaudert, viel mehr noch als bei twitter, das könnte man auch echtzeitmässig aufbereiten, viel besser noch als twitter, unterminiert facebook sukzessive den grundvertrag, den es mit seinen usern eingegangen ist, und dekonstruiert sich selbst.
Hackr Minifesto
Hacking is most commonly associated with computers, and people who break into or otherwise subvert computer systems are often called hackers. Although this terminology is occasionally disputed, I think it is essentially correct — these hackers are discovering the actual rules of the computer systems (e.g. buffer overflows), and using them to circumvent the intended rules of the system (typically access controls).
Paul Buchheit mit einer Minitheorie des Hackens.
(er unterscheidet zwei serien: offizielle regeln – wie die dinge sein sollen – und eigentliche regeln – wie die dinge sind, realität – und die hacker gehen der realität auf die spur)
((natürlich nicht schlecht, wobei er als techniker naturgemäss noch an der ‘echten realität’ hängt und ein lacansches mapping (symbolisches/reales/imaginäres, mit dem hacken als ausdifferenzieren des imaginären, quick shot) gefühlsmässig noch fruchtbarer wäre))
Weiter weiter
Eine der falschen Grundannahmen ist, Entwicklung automatisch als Progression zu verstehen. Zuerst war Radio, TV und Printjournalismus, dann kamen Podcasts, Vidcasts und Blogs, dann kamen Tumblr, Microblogging und Lifestreaming, dann kam das mobile Realtime Web. Die jeweils letzte Form ist grösser, besser, weiter und löst das bisherige ab.
(in der frühphase ist das phylogenetisch zu verstehen; manchmal braucht es einen psychohygienischen reflex der abgrenzung und selbstwahrnehmung als in-crowd, wenn die anderen medienformen sich dumm stellen und über einen lachen; das macht diese selbstwahrnehmung aber nicht treffender oder schlauer)
Passender wäre zu versuchen, die verschiedenen Ausdrucksformen im jeweiligen Milieu zu verstehen und die Milieuverschiebungen zu beschreiben. Was sind ihre Produktionsbedingungen, was ihre Vernetzungsdynamiken, was ihre Rezeptionsbedingungen, wo haben sie Stärken, für was sind sie eher weniger gut geeignet. Die Ausdifferenzierung erledigt den Rest.
Formen werden seltenst völlig abgelöst. Die Zeitung und der Roman haben auch im Zeitalter von Twitter und dem Handyroman noch ihren Wert, einfach weil sie ein bestimmtes Problem gut lösen. Was sich allerdings verändert, sind die relativen Wettberwerbsvorteile gegenüber den anderen Medien.
Beispiel Blogs: eine der grossen Stärken ist die Anschlusskommunikation. Auch wenn es Feuilletonisten lieber anders sehen, besser als Gedichte schreiben oder Seminararbeiten zu verfassen oder die Demokratie zu verteidigen sind Blogs geeignet, um Themen aufzugreifen und mehr oder weniger annotiert zu diffusieren. Blogs als kommentierendes Nervensystem der News. Doch ein Ding hat sich als wesentlich effektiver für die Verbreitung von News herausgestellt: Twitter. Und auch Dienste wie Tumblr oder Posterous sind besser fürs einfache Sharen geeignet. Für die Entwicklung von Blogs ist das vielleicht gar nicht das Schlechteste, vieles macht unter den Bedingungen von Twitter und Co keinen Sinn, es bleiben aber andere Qualitäten.
Social Media
Das schöne am Begriff Social Media ist, dass er nicht falsch verstanden werden kann.
Social Media ist die eingedampfte und von jedem konzeptionellen Überbau befreite Version von Web 2.0. Web 2.0 beschrieb eine sehr spezifische Form der Ausdifferenzierung im System Web; Social Media übernimmt ein Element – es gibt Seiten mit user generated content – und verkauft einige ausgewählte Effekte dieser Tatsache als gelobtes Land. Web 2.0 hat sich für den disruptiven Wert interessiert, den spezifische neue Formationen generierten; Social Media übernimmt die entstandenen Plattformen als leeres Gefäß, macht eine quantitative Bestandsaufnahme und stellt die Frage ‘bist du schon drin?’. Die Zielgruppe von Web 2.0 waren Webmonkeys; die Zielgruppe von Social Media sind Leute und Organisationen, die vom Web keine Ahnung haben. Und während Web 2.0 immer unter der Diskrepanz zwischen dem, was es eigentlich bedeutet, und dem, wie es ankam, zu leiden hatte, liefert Social Media zwar nur wenig diskursiven Unterscheidungswert, ist deshalb aber auch kaum misszuverstehen.
Alle sind auf dem gleichen Blatt und der kognitive Overhead des Interpretationsaufwands für Aussagen fällt weg. Wenn wer von Social Media faselt, muss man als Zuhörer nicht mehr die zwangsemphatische Maschine anwerfen, die versucht zu rekonstruieren, wie derjenige gestrickt sein muss, damit er die jeweilige Aussage treffen kann.
Das bedeutet natürlich nicht, dass Social Media völlig sinnlos ist. Die Sphären Web und Nichtweb haben Synchronisierungsbedarf und Social Media ist verständlich und kann vermitteln, während sich Web 2.0 retrospektiv als völlig unverständlich und unvermittelbar erwiesen hat. Das bedeutet aber natürlich auch nicht, dass die auf Basis von Social Media getriggerte Anschlusskommunikation deshalb fruchtbarer ist, ganz im Gegenteil. Begrifflichkeiten helfen bei systemischen Ausdifferenzierungen und schwächere Begriffe machen bestimmte Phänomene nicht greifbar und triggern bestimmte Entwicklungen nicht (siehe dazu exciting commerce).
(es entbehrt ja nicht einer gewissen ironie, dass die deutsche verdünnung von web 2.0 zum mitmachweb schon 2006 social media mehr oder weniger vorweggenommen hat und also der welt zwei jahre voraus war. der einzige unterschied ist, dass der deutsche blick damals vornehmlich aus dem (wenig fruchtbaren) blickwinkel des andere-arbeiten-lassen getroffen wurde, social media aber den (fruchtbareren) blickwinkel der konversation einnimmt. das mantra konversation ist natürlich noch viel problematischer als social media, aber das ist eine andere geschichte)
Lauwarme Cervisia
Twitter redesignt die Startseite und switcht den eigenen Daseinsgrund von der Frage ‘What are you doing?’ zur Aufforderung ‘Share and discover what’s happening right now, anywhere in the world’.
Ich glaub zwar nicht, dass ihnen das gross weh tun wird, aber es verwandelt Twitter von einem eiskalten Medium – die Sinnstiftung musste von jedem selbst vorgenommen werden, was in der Folge aber eine umso stärkere Binding bewirkte; das Erkennen des Mehrwerts von Twitter war ja fast mit dem Spiegelstadium vergleichbar, also dem Moment, in dem sich ein Kind von aussen als sich selbst erkennt – in ein lauwarmes.
->
Symptomatisch ist auch der Übergang des Vogels, weg vom minimalistischen Modernismus hin zum kitschigen Infantilismus.
Das Bündel
Andreas Göldi ist manchmal irgendwie echt ein Anti-Haque, dachte ich in meinem Ohrensessel, als ich Smart Bundling: Was die Medienkonzerne von Microsoft lernen können las.
(nach einem crashkurs in preisdifferenzierung empfiehlt er medienkonzernen das schnüren von attraktiveren bündeln für ihre angebote; ich glaub zwar, dass das in einigen bereichen eine inkrementelle verbesserung der situation bewirken könnte, aber der ansatz an sich ist zum scheitern verurteilt, weil er sich gegen die logik des web sperrt. bündeln (die organisation aller prozesse die am ende eine zeitung, die man dann verkaufen kann, ausspucken etc.) ist ja genau die kernkompetenz der traditionellen medienkonzerne, die dann vom web untergraben wurde. das unbundling und dekonstruieren von allem in seine atomaren einzelteile mit anschliessendem, eigenen gesetzen folgenden rebundling und rekonstruieren in neue formationen und rekombinationen (memetracker, smart aggregators, usw.) ist genau die kraft, gegen die kein kontrollkraut gewachsen ist. ein ein bisschen smarteres bundlen bringt da nix, sie müssten sich eher überlegen, wie sie ihre produkte besser mit der funktionslogik des web verknüpfen. aber genau das erfordert eine moral/dna, die sie wie den beelzebub meiden, weil sie nicht mehr ausschliesslich auf sich und die sicherung ihrer interessen denken dürften. je mehr sie aber mauern, desto effizienter werden die antikörper in form von google, twitter und co.)
Geologie
nettes Diagramm zur Geologie der Medien von baekdal
(via rubel der mit seiner ankündigung sich fortan dem lifestream zu widmen und sein blog blog sein zu lassen einiges an sinnstiftungssuche ausgelöst hat, etwa #1 oder #2 oder #3 oder #4 oder #5 und viele mehr)
((anders als andere solche debatten und sinnsuchen ist diese gar nicht so uninteressant, der übergang von der formation blog mit den damit verbundenen produktions-, distributions- und rezeptionshaushalten zur formation stream mit den gänzlich anderen produktions-, distributions- und rezeptionshaushalten ist derzeit die primäre verschiebung; sie leidet aber darunter, dass die achse ganz altbacken in einem vermeintlichen vorne und/oder weiter und nicht im jeweiligen wert gesucht wird. den ersten begriff, den man kicken müsste, ist der early adopter, der ist im web sinnlos, weil damit weder kosten noch eine individuelle leistung verbunden ist))
Twittable Twitter Tricks Pt. 4: Three Digit Following
Folge niemandem, der selbst mehr als 1000 Leuten folgt.
(wenn das alle normalen twitterer machen würden, würden sich damit mit einem schlag 98% des follower-spams erübrigen; die, die systematisch folgen/beinichtreziprozitätwiederentfolgen, würden ab der 1000er marke nur noch andere mit der gleichen strategie und bots und also die wertlosesten accounts anhäufen und noch teuerer: echte follower per definitionem ausschliessen)
((ausnahme wie immer: wenn man jemandem folgen will, dann soll man das tun))
Barbarians At The Gates
How the Other Half Writes: In Defense of Twitter via That’s not writing, it’s typing.
Imagine a world where everyone uses typewriters: they write novels, manifestos, historical surveys, and so on, but they do it all using typewriters.
Now the ball-point pen comes along. People use it to write down grocery lists and street addresses and recipes and love notes. What is this awful new technology? the literary users of typewriters say. Ball-point pens are the death of humanism.
(usw. sehr schöner text)
((es gibt hinter dem ganzen dumpfbackendiskurs drei grundprobleme: (a) eine haltung der bringschuld. ein ding hat sich einem gefälligst zu erklären, bevor man auch nur daran denkt, sich damit auseinanderzusetzen. im web erklärt sich einem aber nix. (b) erwartungshaltungen. irgendwas soll so sein oder darf so nicht sein. die erwartungshaltungen sind aber üblicherweise dämlich, entweder übertrieben euphorisch oder kurzsichtig. © logische non sequiturs. es werden falsche verallgemeinerungen gezogen oder dinge verglichen, die nichts miteinander zu tun haben.))
(((besser fährt man also mit: (a) einer gesunden neugierde den tools gegenüber. es gibt einen möglichkeitsraum, den man mit grossem persönlichen gewinn erschliessen kann. oder halt nicht. (b) das web als milieu verstehen und sich anschauen, was los ist. das ist fast immer spannender, als das, was los sein sollte. © logik.)))
Cute Beats Smart
Netter social hack von Kacie Kinzer: tweenbots (via).
Tweenbots are human-dependent robots that navigate the city with the help of pedestrians they encounter. Rolling at a constant speed, in a straight line, Tweenbots have a destination displayed on a flag, and rely on people they meet to read this flag and to aim them in the right direction to reach their goal.
Appphatisch
Was ich bei Apps, egal jetzt wie prickelnd oder nicht, eigentlich immer superinteressant finde, ist die Tatsache, dass sich irgendjemand irgendwo gedacht haben muss ‘das und nichts anderes ist es, was ich machen will; das ist es, was die Welt noch braucht’ und sich in der Folge hingesetzt hat, und das auf die (unter den jeweils gegebenen Einschränkungen und Rahmenbedingungen) bestmögliche Weise entwickelt hat (bzw. den Entwicklungsprozess koordiniert hat). Je abwegiger das Tool vom eigenen Koordinatensystem ist, desto lustiger ist der Versuch der Emphase, was im anderen vorgegangen sein muss, damit er sich das denken konnte.
Being Paul Graham
Paul Graham denkt sich viele schlaue Dinge. Vor allem seine Ansätze zum Startuppen, zu Venture Kapital, zu den neuen ökonomischen Gegebenheiten sind immer lesenswert. Und auch wenn man seiner Philosophie nicht unbedingt folgen muss, man sollte zumindest wissen warum man ihr nicht folgt.
Aber sein Februar Text über Identität kann echt nur von einem Programmierer stammen. Viele Diskussionen verlaufen wenig rational, weil die Menschen mit ihren Identitäten dran kleben. Wenn man so wenig ‘identisch’ wie möglich ist, kann man über Dinge klar denken, wenns alle anderen auch sind, kann man die beste Lösung für jedes Problem finden.
(seine konzeption von identity ist natürlich völlig naiv, indentität, prozesse der identitätsbildung, etc. sind unendlich komplex und jedenfalls nix, wovon es mal 10 deka mehr oder weniger geben darf oder wofür man sich mal schnell entscheiden kann, aber das interessante ist, dass er das mit der gleichen selbstverständlichkeit dahindenkt und dabei eine adhoc-theorie konstruiert, wie sonst halt auch. man kann – und es schadet nicht sich selbst ab und an daran zu erinnern – seine eigene dummheit / euphemistischer: die eigenen blinden flecken nicht sehen.)
Life Hackr Pt. 1 (Dummy Account Edition)
Ein Problem für jeden ordentlichen Webbürger ist das Managen der hunderten Accounts, die man so im Laufe der Zeit anlegt. Immer wieder registriert man sich mit Username, Passwort und E-Mail Adresse, startet das Befreunden, etc. Fast immer vergisst man sie aber auch gleich wieder, doch der Ballast (Freundesrequests, Newsletter, wir-haben-schon-lang-nichts-mehr-von-dir-gehört-Mails, Spam, dortiges Gefundenwerden auf Suchmaschinen, etc.) bleibt.
Ein Lösungsansatz dafür sind diverse – offene / aka OpenID oder proprietäre – Single-SignOn Mechanismen. Nur werfen die andere Probleme auf. Man erspart sich zwar die Notwendigkeit immer wieder mit Usernamen und Passwörtern aufwarten zu müssen, aber man koppelt gleichzeitig alle Dienste an einen zentralen, was zwar bequem, aber auch sehr riskant und auch nicht unbedingt besonders wünschenswert ist.
Aber nicht alle Dienste sind gleich wichtig, gleich interessant oder gleich nützlich. Nur weiss man das erst im Nachhinein, oft schon zwei Minuten nach der Anmeldung.
Mit einem einfachen Trick kann man jedoch dem verständlichen Drang alles ausprobieren zu wollen nachkommen, ohne den eigenen Namespace zu verschmutzen:
Neue Dienste IMMER zuerst mit dummy-Daten evaluieren
Jedes wegwerfbare Email-Account reicht aus, man braucht es nur für die übliche Bestätigung, jedes beliebige Passwort will do. Ob man dann Spam bekommt, oder das Passwort erraten oder auf andere Dienste projiziert werden kann, ist egal. Merkt man nach 10 Minuten, dass es sich um einen coolen Dienst handelt, dann registriert man sich richtig, mit gutem Passwort und so oder via OpenID. Wenn nicht, weiter zum nächsten.
Achtung mit OpenID: Man sollte beim Ausprobieren gerade NICHT darauf zugreifen (was man leider immer als Hauptwertvorschlag vorgesetzt bekommt). Das letzte was man will ist, jeden spammigen Dienst around mit der eigenen Identität verknüpft zu haben. Oft lassen sich die Accounts dann nicht mal löschen.
So trivial das ist, der Effekt ist glaub ich so massiv, dass sich die ganze Grundproblematik Login mehr oder weniger erübrigt. Aus hunderten Accounts werden dutzende, die kann man dann noch immer mit jedem Trick aus dem Handbuch organisieren. Auch dann sind einige noch sicher wichtiger als andere und sollten mit etwas mehr Bedacht gehandhabt werden.
Dieses Prinzip kann man sicher auch wieder differenzieren (verschiedene Klassen und Abstufungen mit jeweils unterschiedlichen Infoflows definieren, etc.) – aber dann wird es schnell wieder kompliziert. Wenn man 90% zu managende Accounts weniger hat, reicht das in den meisten Fällen für ein glücklicheres Webleben aus.