live.hackr

die romantische komödie

Leftovers 2014 (Low Hanging Fruit Edition)

(oops, hab ich damals zum anlass begonnen und wollte ich noch überarbeiten und hab ich dann aber vergessen und jetzt ist es ein bisschen zu spät aber bevor ich es lösche usw.)

auch nicht weitergekommen sind wir 2014 jedenfalls mit dem entschärfen vom komplex urheberrecht/copyright, vor allem in der nicht geschäftsmäßigen benutzung, das wohl eine der unnötigsten fussfesseln vor allem für die entwicklung im deutschen internet ist.

(die gute nachricht ist, dass es damit tatsächlich eine tief hängende frucht gibt, mit der sich der webtechnologische entwicklungsgrad mit hoher wahrscheinlichkeit in absehbarer zeit deutlich verbessern könnte; die schlechte nachricht ist, dass alle anderen interventionen ohne diese frucht ziemlich sicher wirkungslos verpuffen werden)

warum ist eine anale auslegung vom urheberrecht so schädlich?

erinnern wir uns an den jüngsten fall, bei dem ein moderator abgemahnt wurde, weil er auf twitter ein foto gepostet hat. mich interessiert hier weniger das abwägen der verschiedenen positionen, ich möchte nur kurz zu ökosystemischen konsequenzen von einem ‘sich durchsetzenden’ urheberrecht erwähnen:

fotos können von mir aus gerne beschützt werden. wenn ein fotograf partout nicht will, dass sein foto in keinem von ihm nicht abgesegneten kontext erscheint, warum sollte er seinen wunsch nicht erfüllt bekommen?

das problem dabei ist halt, dass man dem foto nicht ansieht, ob sich dahinter ein fotograf mit einer ebensolchen disposition verbirgt (der dann unter umständen auch eine firma angeheuert hat, die das web und soziale netzwerke proaktiv und systematisch nach ‘verletzungen’ durchsucht, um die rechte mit kostennote durchzusetzen usw.), oder ob dahinter ein normaler mensch steckt, der sich über jede weiterverbreitung sogar freuen würde oder den es zumindest nicht stört.

und ich habe keine zahlen, aber ich vermute dass vl. jedes 1.000. geschossene foto urheberrechtlich wirklich beschützt werden will, es allen 999 anderen aber völlig egal wäre, wenn sie mal in einem twitterstrom oder illustrativ in einem blogpost auftauchen würden. (ich beziehe meine schätzung auf den differenzlosen urheberrechtlichen schutz; es gibt natürlich andere valide gründe, fotos nicht öffentlich verteilt zu sehen, das ist aber ein völlig anderes thema)

das problem ist also, dass der schutz nicht nur die tatsächlich schutzsuchenden und/oder schutzfordernden fotos betrifft, sondern auch alle anderen, und dass also das sharen von fotos ganz grundsätzlich mit einem über dem kopf schwingenden da­mo­k­les­schwert verbunden ist. (ja, fotos können auch etwa cc-lizensiert sein und also selbst quasi die zustimmung geben, aber selbst da besteht immer die möglichkeit, dass die jeweilige quelle selbst nicht die rechte daran hat usw.)1

und da könnte man jetzt anmerken, na und, dann kann man halt nicht sharen, wenn man das foto nicht selbst gemacht hat oder man keine wasserdichte rechtekette nachweisen kann, das ist dann halt so, aber genau das bringt uns dann zur anderen seite der medaille, nämlich der kultur und der gesellschaftlichen ausdruckskraft. neben dem eigentlichen erzeugen von fotos (und allen anderen kulturprodukten) – dessen anregen und absichern ja gwm. der gesellschaftliche sinn der diversen urheberrechte ist – sind wir als gesellschaft mit dem web an einem punkt angekommen, an dem auch das zirkulieren, rekombinieren, reflektieren, reutilisieren, reanimieren, etc. ebendieser kulturellen entitäten selbst ganz nativ zur kultur und gesellschaftlichen ausdruckskraft dazugehört und diese gwm. ‘bildet’. mit dem web und den damit erzeugten ausdrucksformen wird gwm. jede kultur zur popkultur oder zumindest zur basis für popkulturelle referenzen. und kultur, die sich dem verweigert, findet im gesellschaftlichen bewusstsein quasi einfach nicht mehr statt und verliert durch die verweigerung eher früher als später gwm. auch die gesellschaftliche legitimität.2

wenn uns etwas gefällt, hatten wir immer schon den unwiderstehlichen drang, das anderen zu erzählen und sie damit anzustecken. auf den verschiedenen plattformen können wir das jetzt halt viel einfacher, effektiver, besser und mit zunehmend vielen medien tun und/oder auch als basis für eigene aktivitäten benutzen. und nicht nur das, das einfache sharen (mit dem immer anschliessenden deuten oder diskutieren) ist gwm. der einstieg in die ‘kulturproduktion’ und das beste format, leute mit (der) technologie vertraut zu machen und zu verbinden. wir eignen uns ja technologie nicht um ihrer selbst willen an (und wir lernen nicht mal einfach so und zu seiner selbst willen programmieren), wir eignen sie uns an, weil wir damit was machen können was wir machen wollen (bzw. eben dann was programmieren können was wir haben wollen).

nun ist das spezifisch deutsche problem, dass es um die ich sag einmal spielerische ausdruckskraft im weltweiten vergleich ohnehin nicht besonders gut bestellt ist. es gibt eine hoch ausgeprägte diskursive diskussionskraft (und das mit dem fehlenden humor ist ein völliger blödsinn, es gibt neben dem fasching auch einen weit verbreiteten extrem subtilen und trockenen humor), aber der ansatz ist selten neugierig und/oder expressiv (wer twitter ende 2006 oder anfang 2007 entdeckt hat, wird sich vl. noch daran erinnern können, in welche völlige sinnkrise das die damalige deutsche webgemeinde und ein paar jahre später dann die deutschen medien gestürzt hat, siehe etwa metahyping und 140 prozent). was wiederum bedeutet, dass es weniger vorhandene grundkraft gibt, die eine ausdrucksform sucht und ans licht will. und wenn man nun bei jeder aktivität sofort gefahr läuft abgemahnt zu werden, dann dämpft das die pflänzchen schon im keim ab.3

1 ein anderes beispiel der jüngeren zeit (no pun intended) war ein ‘geistreicher’ tweet, den die zeit auf ihrer facebookseite zwar brav attribuiert aber als gif und nicht zum konkreten tweet verlinkt eingebettet hat, um dann nach großer empörung reumütig eine rechnung zu bezahlen. auch das bedeutet natürlich asymptotisch, das es grundsätzlich gefährlich ist, tweets ausserhalb von twitter zu wiederholen, weil man nicht wissen kann wie der jeweilige twitterer gestrickt ist.

2 (nicht die institutionelle; institutionen sind gwm. spezialisten darin, die wertschöpfung aufzusaugen und in sich selbst zu kapseln, sich damit aufzublähen und zu verbrauchen; der effekt vom urheberrecht ist jedenfalls ein farbloseres web, das weniger spass macht, das also weniger anreiz zur beschäftigung generiert, was zunehmend weniger webkompetenz der leute bedeutet, was gesamtgesellschaftlich die eigene schlagkraft insgesamt schwächt)

3
youtube gesperrt

bonus: welche absurden blüten dieses spezifisch deutsche beharren hat, sieht man etwa auch an dieser ^ grafik, die illustriert, wie viele der weltweit beliebtesten youtube-videos in deutschland gesperrt sind. und das ist zwar – genau wie das leistungsschutzrecht oder das verpixelungsrecht für hausfassaden, die es sonst auf der ganzen welt nicht gibt – ein grundsätzlich anderes thema, aber die zugrundeliegende disposition ist die gleiche.

☍ 24.02.2015 # germany copyright
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